1607 - Im Leerraum gestrandet
das vierfache Körpergewicht auf dem Brustkorb lastete? Allein beim Gedanken daran wurde ihr schwarz vor Augen.
Weitermachen, sagte sie sich.
Sie hätte liebend gern aufgegeben und abgewartet, was geschah. Aber wenn sie nichts unternahm, wer dann? Die Roboter? Wahrscheinlich war kein einziger mehr intakt, sonst hätten sie längst reagiert. Der Schiffssyntron? Warum kam aus dieser Richtung keine Hilfe?
All die Fragen nützten nichts.
Mariaan ten Segura hielt sich mit vollem Krafteinsatz auf den Knien. Lange konnte sie das nicht durchhalten. Sie hätte Epsalerin oder Ertruserin sein mögen - dann hätte sie sich jetzt bewegen können: Aber besser eine Akonin als ein grober Klotz, auch wenn sie ihre Schwäche im Augenblick verfluchte.
Millimeterweise ließ sie den rechten Arm aufwärts in Richtung Pult kriechen. Mit jeder Sekunde wuchs die Gefahr, daß sie in den Knien oder mit dem linken Arm einbrechen würde.
Zwar würde sie nur wenige Zentimeter stürzen, doch dahinter steckte dann das vierfache Gewicht.
Sehstörungen vernebelten ihren Blick.
Trotzdem hielt sie durch. Nur noch ein paar Zentimeter, dann konnte sie sich hinlegen, dann konnte sie versuchen, mit dem rechten Arm zu agieren. Zuerst jedoch mußte die Akonin ihren Arm so weit bringen. Mariaan starrte die Hand an. Es konnte nicht sein. Sie besaß die Kraft. Und als sie endlich anfing, wirklich daran zu glauben, ging das letzte Stück wie von allein. So viel bedeutete vierfache Schwerkraft nun auch nicht; in ihrer Grundausbildung für den Raumflug hatte sie weit mehr überstanden.
Mit aller Vorsicht gab Mariaan dem Druck nach. Sie sank nieder, bis sie flach auf dem Bauch lag, den Blick nach schräg oben gerichtet, die Hand in Reichweite der Kontrollen.
Zunächst probierte sie ein paar Tasten aus, die den Syntron aktivieren sollten - ohne Ergebnis.
Anschließend entschied sich die Cheftechnikerin der ODIN für den Notstromkreislauf dieser Ausweichschaltzentrale. Flackernd erwachten die Pulte zum Leben. Meßgeräte zeigten den inneren Zustand des Schiffes an. Demnach wirkten die Fliehkräfte überall, nicht nur im Triebwerkssektor. Von den Syntrons erhielt sie keinerlei Rückmeldung. Alles, was funktionierte, waren die Meßgeräte und Anzeigen auf vierdimensionaler Basis. Die ODIN verfügte nicht über das geringste Quentchen Hyperenergie.
Deshalb waren auch die Notschaltungen ausgefallen, die eigentlich automatisch funktionieren sollten. Wenn nicht einmal der Autopilot in Betrieb war, konnte nichts geschehen. Auch wenn Mariaan ten Segura von einem solchen Fall noch nie gehört hatte. Nur ein paar mechanische Sicherheitsvorkehrungen hatten gegriffen. Und deshalb lag auch die Energieversorgung lahm. Der Notstromkreis reichte gerade mal für Beleuchtung und Temperatur.
Mariaan dachte nicht lange nach, ob das Risiko tragbar war. Ohne Energie konnten sie nicht lange am Leben bleiben, nicht bei dieser Schwerkraft. Eines der Meßgeräte zeigte prall gefüllte Gravitraf-Speicher an - daran lag es also nicht.
Mit der Hand tastete sie sich zur entsprechenden Schaltung vor.
Sie mußte nur die Finger heben und eine bestimmte Kombination in die Tastatur tippen... Wäre es nur so einfach gewesen! Aber sie brauchte allein zwei Minuten, bis sie den Arm umgelagert hatte.
Und dann verpatzte sie die Kombination zweimal. Sie war einfach nicht imstande, mehrmals hintereinander präzise die richtigen Sensorpunkte zu berühren.
Erst der dritte Versuch brachte den Erfolg.
Als sie es geschafft hatte, sank ihr rechter Arm kraftlos nieder. In den alten Zeiten waren die Raumfahrer auf Situationen dieser Art noch geschult gewesen. Heutzutage jedoch verließ sich jedermann auf die Syntroniken und Robotservos. Einmillionenmal ging das gut, doch beim nächsten Versuch konnte die Katastrophe bereits eintreten. So wie jetzt... Überall in der ODIN erwachten die Maschinen zu neuem Leben. Mariaan ten Seguras Ohren registrierten die feinen Geräuschpegel, das leise Summen und ein kaum noch hörbares Vibrieren.
Nur die Schwerkraft blieb.
Sie hob erneut den Kopf und stellte fest, daß trotz allem kein einziger Syntron funktionierte. Sie verfügten nach wie vor über nicht mehr als die normalen vierdimensionalen Energieströme. Nichts, was mit dem Hyperraum zusammenhing, regte sich, also auch nicht die Schiffscomputer.
Sie zwang sich zu folgerichtiger Überlegung. Künstliche Schwerkraft war fünfdimensionaler Natur. Bei den Schwerkrafterzeugern des Schiffes lag das Problem
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