161 - Der Kristallschlüssel
die Energien sich knisternd wieder aufbauten.
»Na also!« Triumph schwang in seiner Stimme mit.
»Ich wusste es!«
Dann beugte er sich zu den Aussparungen im Sockel hinab. Tatsächlich konnte er sie mühelos öffnen.
Aber sie waren leer.
»Käferscheiße!«, fluchte er. Seine geniale Idee scheiterte an der Nachlässigkeit der Alten, die für keinen Nachschub gesorgt hatten. Vielleicht mit voller Absicht?
Hatten sie verhindern wollen, dass jemand die Anlage wieder in Betrieb nahm, nachdem der aktuelle Verteilerkristall ausgebrannt war?
Müßig, darüber zu spekulieren. Sein Plan war nicht aufgegangen; nun würde er die Ankunft der restlichen Mannschaft abwarten müssen.
Aber nicht hier innerhalb des Kraftfelds, das ihm die Haare aufstellte und kleine kitzelnde Entladungen über seine nackte Haut laufen ließ.
Effardo Gonzales machte sich bereit für den Rücksprung.
Vier Sekunden… eine… sechs Sekunden… jetzt!
Das Feld schloss sich, als er es zur Hälfte passiert hatte.
Er kam nicht einmal mehr dazu, einen Schrei auszustoßen. Mit einem Male waren sein Kopf und seine Brust lotrecht zerschnitten. Die Arme fielen jenseits der Barriere in den Dreck, während Unterleib und Beine nach hinten kippten – und gegen den Sockel mit dem Verteilerkristall stießen.
Der Schrei der beiden Techniker gewann noch an Entsetzen, als sie sahen, wie der Sockel schwankte und der Verteiler aus seiner Halterung zu Boden fiel. Eine Sekunde später zerplatzte der geborstene Kristall in Myriaden Splitter.
Das Feld flackerte und erlosch.
***
Gegen Morgen zu fand Matthew Drax keine Ruhe mehr; seine Gedanken drehten sich unentwegt im Kreis und hielten ihn wach. Chandra, die in seiner Armbeuge schlummerte, regte sich und hob den Kopf zu ihm.
»Deine Gedanken sind so laut, ich kann nicht mehr schlafen«, sagte sie leise.
»Das wollte ich nicht«, entschuldigte er sich.
Ihre Hände massierten seine Arme, seine Brust. »Du bist völlig verspannt, hart wie ein Brett. Kein Wunder, dass ich aufgewacht bin. Städter sind ziemlich verwöhnt, weißt du, Matt? Wir gönnen uns den Luxus weicher Betten.«
Chandra hatte letzte Nacht vorgeschlagen, ihn bei seinem richtigen Namen zu nennen, und Matt hatte gern zugestimmt. Da ihn hier niemand sonst so nannte, war es eine vertraute Anrede nur unter ihnen beiden.
Er stellte fest, dass sie nicht immer ein Morgenmuffel war. Anscheinend hatte ihr einfach nur der nötige Ausgleich gefehlt. Und sie sah unglaublich hübsch aus mit dem verstruwwelten Haar, der winzigen verknitterten Liegefalte an der Wange, den noch leicht traumbenebelten Augen. »Es lässt mir keine Ruhe«, gestand er.
»Ja. Das ist mir klar.« Sie erhob sich, glitt aus dem Bett und ging nach nebenan, um sich etwas zu trinken zu holen. Matt hoffte auf einen Knochenwärmer – und wurde nicht enttäuscht.
Chandra reichte ihm einen Becher und kuschelte sich dann wieder an ihn. »Wenn es keine Albträume sind, dann die Sehnsucht nach der Heimat.«
»Ich bin froh, dass du es verstehst«, meinte Matt und rührte in seiner Tasse.
»Aber sicher verstehe ich e«, versetzte sie. »Das wäre ungefähr genauso, als wenn ich plötzlich ganz allein auf die andere Marsseite in die Nebelschluchten des Valles Marineris umziehen müsste, und das für immer.«
Unwillkürlich zog sie schaudernd die Schultern zusammen.
»Die Isolation ist eure schlimmste Strafe, nicht wahr?«, fragte Matt und dachte an die ehemalige Rätin Beta Khalem Braxton. Da ihr nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte, dass sie versucht hatte, Naoki Tsuyoshi zu ermorden, und der Tod Naokis nicht zweifelsfrei eine Folge der Abschaltung der Geräte war, war ihr Urteil recht milde ausgefallen. Die Medien hatten von neunzig Tagen Isolationshaft in ihrer Wohnung berichtet, die bald vorbei waren. Einige Volkssprecher hatten zwar dauerhafte Verbannung verlangt, aber vor diesem grausamen Urteil schreckte das Magistratstribunal zurück, und das nicht nur wegen mangelnder Beweise.
Auch gegen die ehemalige Präsidentin Cansu Alison Tsuyoshi waren einige Verfahren eingeleitet worden, die jedoch bisher im Sande verliefen, nicht zuletzt deshalb, weil sie sich immer noch an ihren Posten als Rätin klammerte, dem sie keiner so schnell entheben konnte.
Der Jurist Hendrix Peter Braxton, Berater im Rat, vertrat ihre Interessen sehr gut.
»Allerdings«, bestätigte Chandra. »Etwas Schlimmeres kann einem nicht passieren.« Sie nippte an ihrem Knochenwärmer. »Ich möchte wirklich
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