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1610 01 - Der letzte Alchimist

1610 01 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 01 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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Umstände waren.
    »Nun schaut Euch das einmal an«, wiederholte Dariole mit dem bösartigen Grinsen eines Kindes und blickte mich mit spöttischer Lust in den Augen an. Mein Gesicht muss wohl ein bemerkenswerter Anblick gewesen sein, denn Dariole konnte nicht länger an sich halten und brach in schallendes Gelächter aus.
    Und ich nehme an, dass jeder andere Mann in diesem Augenblick seine Hände befreit hätte – auch um den Preis eines Auges –, um Monsieur Dariole das Leben aus dem Leib zu quetschen. Dariole war zwar ein wenig rundlich, aber noch weitgehend ein Kind, sodass es genauso leicht gewesen wäre, ihm den Hals umzudrehen wie einem Hasen. Aber das tat ich nicht. Stattdessen erstarrte ich unter seinem unbedeutenden Gewicht und starrte in sein Gesicht hinauf.
    »Ihr werdet nirgendwohin gehen, wisst Ihr?«, sagte er selbstbewusst und knöpfte mir mit der linken Hand die Hose auf.
    Ich bin ein Ehrenmann; ich bin es gewöhnt, dass Diener mich an- und auskleiden. Aber auf dem Boden eines Stalls festgehalten zu werden, während ein kichernder Jüngling mir das Beinkleid auszog, das war eine derartige Demütigung, wie sie mir niemals in den Sinn gekommen wäre – eine Demütigung, die mich erstarren ließ.
    Im Vergleich zum übrigen Körper ist der Schwanz eines Mannes nur eine kleine Menge Fleisch, und doch ändert sich alles mit der Scham, die man empfindet, wenn dieses kleine Stück Fleisch enthüllt wird – und der noch größeren Scham, wenn es überdies zu einer Reaktion kommt. Ich vergaß Sully, Heinrich und die Panik auf den Straßen der Hauptstadt. Ich vergaß alles außer dieser Schande.
    Die kalte Luft auf meinem Fleisch und die Schande der Nacktheit hätte meinen Schwanz in seinem Griff eigentlich schrumpfen lassen müssen, doch das geschah nicht. Ich war so steif wie ein Mann, der kurz davor stand, sich mit einer Frau zu vereinen, und in meinem Kopf herrschte eine derartige Verwirrung, dass ich Dariole ebenso Gotteslästerungen an den Kopf hätte werfen können wie ich ihn hätte schlagen oder einfach in Tränen ausbrechen können.
    »Ihr könntet Euch aus dieser Lage befreien«, sagte der Junge, als könne er meine Gedanken lesen. »Ich hätte Euer Auge, aber Ihr könntet Euch befreien und mich womöglich töten. Aber das werdet Ihr nicht, nicht wahr?«
    »Ich bring dich um«, brachte ich mühsam hervor. »Damit du niemandem je erzählen kannst, was hier geschehen ist …«
    »Ich werde Männer von der Straße hereinrufen.« Er zögerte nicht eine Sekunde, das zu sagen. »Was glaubt Ihr wohl, wird die Menge sagen, wenn sie den großen Monsieur Rochefort am Boden und mit heraushängendem Schwanz sieht? Uijuijui. Es hat Euch tatsächlich gefallen!«
    Seine behandschuhten Finger hatten sich fest um meinen Schwanz geschlossen, und ich hätte schluchzen können wie ein Kind. Zwischen Scham, Verwirrung und einem Gefühl der Schwäche, das meine Muskeln durchflutete, wusste ich zum ersten Mal nicht, was ich tun sollte.
    Wieder verlagerte der Junge sein Gewicht und drückte meine Hüftknochen auf den kalten Boden. In einem erstaunt-freudigen Lächeln fletschte er die Zähne. Dann sagte er: »Genau das hätte ich schon bei Zaton machen sollen, vor aller Augen.«
    Mein Fleisch zuckte in seiner Hand. Ich spürte, wie mein Gesicht immer wärmer wurde, und ich spürte auch die Schweißtropfen, die sich in meinen Haaren sammelten.
    Das ist das Ende von Rochefort, dachte ich benommen. Wäre ich nicht ohnehin schon gezwungen, die Stadt zu verlassen, müsste ich nun gehen.
    Und nicht nur weil dieser Balg anderen erzählen könnte – erzählen wird –, was hier geschehen ist, sondern weil ich schlicht nicht an einem Ort leben kann, wo mir eine derartige Schande widerfahren ist.
    Ich muss gestehen, dass mir nur eines einfiel zu sagen: »Lasst mich gehen!«
    Das war ein Fehler, wie ich sicher schon im Vorhinein gewusst hätte, wäre ich nicht so verloren gewesen. Das klang nicht wie eine Drohung, sondern wie ein Flehen. Gleichzeitig überkam mich ein Gefühl, als würden meine Muskeln schmelzen und zu Wasser werden. Und mein rebellisches Fleisch schwoll weiter an. Ich konnte nichts dagegen tun, während er noch immer die Hand um den Schaft gelegt hatte.
    Abermals verlagerte er sein Gewicht und blickte zu mir hinunter. Sein Gesichtsausdruck war eine Mischung aus dem von Heinrichs katzenhaften Höflingen und dem eines Kindes, das sich gerade anschickte, einen Frosch oder eine Spinne zu quälen. Seine Wangen waren

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