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1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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Blick war klar. »Ich gebe Euch jedoch keine Schuld, Messire. Ja, Ihr hättet mit mir reden können; aber ich hätte auch so wissen müssen, was zu tun ist. Ich habe nachgedacht. Caterina hat Recht. Messire, falls irgendetwas von alldem Eure Schuld gewesen sein sollte … so ist Euch vergeben. Und es tut mir Leid, dass ich so unfair zu Euch war.«
    Mir fehlten die Worte.
    Draußen hallte Ned Alleynes Stimme durch die Höhlen.
    »Laster zu mir! Und die Dame Clio! Wir fangen in zehn Minuten an!«

Rochefort: Memoiren
Achtundzwanzig
    Clio, die Muse der Geschichtsschreibung, schritt durch die versammelten Tugenden hindurch – triumphierend –, die Hand auf den Arm von James Stuart gelegt, erster seines Namens von England und sechster von Schottland.
    Die Laster – besiegt – waren nicht mehr anwesend, zumal sie sich rasch umgezogen hatten, um als Tugenden wieder auf die Bühne zu eilen. Darin unterschied sich die Schauspielerei scheinst gar nicht so sehr vom höfischen Leben.
    »Legt nieder den Leichnam des in Verdammnis versunkenen Lasters!«, deklamierte ich. Hinter mir knarrte die Bühnenmaschinerie, um die hölzerne Kulisse so zu verändern, dass eine pastorale Szenerie entstand. Et in Arcadia ego , sinnierte ich.
    Clios Stimme trug so weit wie die eines Offiziers im Feld, wenn er Befehle erteilt; das schien mir ein adäquater Ersatz für mein mangelndes, schauspielerisches Talent zu sein. Sicherlich konnte man mich selbst im hintersten Teil der Höhle hören und das trotz der schalldämpfenden Wirkung der niedrigen Decke. Der junge Mann in weißem Satin stand am Kopf der Festtafel auf sein Stichwort hin auf.
    »Sehet die Hoffnung und den Sieg der Stuarts!«, fuhr ich fort und fragte mich, wer das wohl geschrieben hatte, und ob ich je die Gelegenheit bekommen würde, mit Madame Lanier ein paar Fragen der poetischen Diktion zu diskutieren.
    Die Schauspieler, welche die Tugenden darstellten, traten ans Ufer des kleinen Baches, der durch die Höhle rann. Die Hitze der vielen Fackeln ließ ihre Gewänder schimmern. Mäßigung – der beste und jüngste Sprecher nach der von Übelkeit geplagten Clio und einer jungen Maid sehr ähnlich – rezitierte seine Zeilen und rief Heinrich auf, die hölzerne Bühnenbrücke zu überqueren und sich zu seinem Vater zu gesellen.
    Ich kniff die Augen zusammen, um in dem schlechten Licht an den betrunkenen Höflingen vorbeisehen zu können, und tatsächlich entdeckte ich auch ›König James' Dämon‹ am Höhleneingang. Saburo nickte ausdruckslos. Man hätte glauben können, dass der Samurai sich den Hals verrenkt hatte.
    Cecils Männer sind auf Position, und James' Männer haben Heinrichs Leibwache übernommen. Das vereinbarte Signal. Kein Geräusch drang zu mir durch, aber bei all den Posaunen und anderen Instrumenten bezweifelte ich auch, dass irgendeiner der Feiernden sich davon hätte stören lassen – einschließlich des jungen Heinrich Stuart.
    Kühn überquerte der junge Mann die Brücke – die knarrte –, und das Laternenlicht spiegelte sich auf seinem zurückgekämmten rötlichbraunem Haar. Mäßigung und Gerechtigkeit nahmen ihn an den Händen. Seine Kleidung war einem prachtvollen Theaterkostüm nicht unähnlich: elfenbeinfarbener Kragen, verziert mit silberner Spitze, weiße Seidenstrümpfe und Schuhe mit Rosen auf den Schleifen. Alles in tugendhaften Farben, ganz so, wie Edward Alleyne es demütig vorgeschlagen hatte.
    Im Geiste hörte ich Dariole sagen: Wenigstens trägt der Prinz keinen Rock …
    Sie stand mit den anderen Pagen in einer Ecke. Ich wandte den Blick von ihr ab. Ich durfte keine unnötige Aufmerksamkeit auf sie lenken, zumal sie sich nun, da Heinrich die Bühne betreten hatte, zu Monsieur Saburo gesellen würde.
    James' Arm zitterte unter meiner Hand, als die Tugenden einen Tanz mit Heinrich begannen, der ihn schließlich zu uns führen musste.
    Und der im Tod enden wird. Mord.
    Der König von England und Schottland hatte außer den von mir gemachten keinerlei Vorschläge angenommen, was sein Kostüm betraf. Unter dem Seidenwams wurde seine stämmige Gestalt von einem Kettenhemd geschützt, und sein Kragen verbarg einen Halsschutz, während seine ausladende Pluderhose derart mit Kleie vollgestopft war, dass selbst ein Schwert darin stecken bleiben würde, von Heinrichs Dolch einmal ganz zu schweigen.
    »Ihr werdet ihn nicht an mein Gesicht herankommen lassen«, murmelte James. Ich verstärkte den Griff um seinen Arm.
    »Euer Majestät muss keine …«

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