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1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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zählte ich ständig weiter: neunzehn, zwanzig, einundzwanzig …
    Mündungsfeuer von einem ganzen Schritt Länge erhellte die Höhle, und in diesem Licht sah ich die Männer im Höhleneingang. Das Knallen der Musketen machte mich taub. Auf dem Schlachtfeld ist eine Salve schon laut. Hier, auf allen Seiten von Wänden umgeben, beraubte der Lärm nicht nur meine Angreifer ihres Gehörs, die Salve erzeugte auch eine Wand aus Rauch zwischen uns.
    Gut vierzig Musketenkugeln schlugen in die Festtafel, doch die drei Zoll dicke Eichenplatte hielt dem Angriff stand.
    Eine Kugel schrammte an der Kante vorbei und schleuderte Splitter in mein Haar.
    »Bei Gott und allen Heiligen! Sollen sie im Höllenfeuer schmoren!«, fluchte Spofforth.
    »Habt Ihr eine Pistole übrig?«, fragte ich. »Der Samurai versteht übrigens auch, damit umzugehen.« Irgendjemand warf mir eine Steinschlosspistole zu, und ich lud sie, so schnell ich konnte. »Wie viele sind schon erledigt? Und wie viel Mann habt Ihr?«
    »Zwölf oder fünfzehn Mann sind tot oder verwundet.« Spofforth Gesicht war schwarz von Pulver. »Zwanzig stehen noch. Ihr habt nichts von feindlichen Soldaten erwähnt!«
    »Bedauerlicherweise habe ich bis jetzt selbst nichts von ihnen gewusst.«
    Ich blickte zu König James, der von Monsieur Saburo gehalten wurde. Tränen rannen über James Stuarts schlaffes Gesicht.
    Spofforth brüllte: »Erwidert das Feuer!«
    Die Musketen seiner Männer hinter dem Tisch spien Feuer und Rauch. Der Rauch hatte sich noch nicht ganz verzogen, als ich mit meinem Zählen bei zwanzig ankam. Der Feind feuerte eine weitere Salve ab. Im selben Augenblick zuckten unsere Männer unwillkürlich zusammen wie ein Schwarm aufgeschreckter Vögel und duckten sich vor den umherfliegenden Splittern.
    Abermals schlugen Kugeln in den Tisch, der daraufhin – so schwer er auch war – ins Wanken geriet. Ein Mann schrie, getroffen von einer Kugel, die die Tischplatte an einer dünneren Stelle durchschlagen hatte. Die Männer um ihn herum fluchten und schützten ihre Gesichter mit den Händen.
    »Wenn die so weiterfeuern, haben sie den Tisch bald durch.« Spofforth zählte offenbar genauso wie ich. »Sie stecken da oben hinter den Felsen. Schwierig, sonst hätte ich sie schon im Sturm angegriffen.«
    »Es könnte durchaus sein, dass Ihr das noch müsst.«
    Spofforth schürzte die Lippen und nickte, eine seltsam präzise Geste für einen Ruß geschwärzten und blutverschmierten Mann. »Das habe ich mir schon gedacht. Nun, ich denke, mehr als einer Salve werden wir nicht mehr standhalten. Werdet Ihr Seine Majestät in Sicherheil bringen?«
    Ich nickte in Richtung der Höhlen hinter uns. »Ihr solltet Euch besser mit uns zurückfallen lassen, Hauptmann.«
    »Ja. Aber ich habe nicht genug Männer für eine überzeugende Salve. Es muss schon ein Angriff sein.«
    »Können wir auf Lord Cecil als Retter hoffen?«
    Spofforth antwortete in gelassenem Ton: »Ich gehe davon aus, dass sie den Herrn Minister gefangen genommen haben – oder vielleicht sogar getötet, da sie ja wissen, dass er des Königs Mann ist. Sollte er jedoch frei sein, müsste er erst zusätzliche Truppen aus Bristol holen.«
    »Dann werde ich König James nach Bristol bringen.«
    Ich kannte Spofforth nicht sonderlich gut, aber er warf mir einen derart dankbaren Blick zu, dass ich nicht länger an seiner Absicht zweifelte, den Feind im Sturm angreifen zu wollen.
    »Macht Euch zum Aufbruch bereit, Franzmann. Ich muss es machen, solange ich noch genug Männer für einen überzeugenden Angriff habe.«
    Im Kopf zählte ich weiter. Noch nicht, noch nicht … Der Geschmack von Pulver und Blei brannte auf meiner Zunge. »Monsieur Saburo, kann der König gehen?«
    Das Gesicht des Samurai wirkte ruhig in dem flackernden Licht. »Noch nicht. Ich werde ihn tragen, Roshfu-san.«
    »Gut. Macht Euch bereit. Hauptmann, wartet.« Ich duckte mich tiefer in die Deckung des Tisches.
    Unter dem Lärm der wild schreienden Männer, der Verwundeten, die nach ihren Müttern riefen, und während ich im Kopf weiterzählte, sagte ich leise: »Dariole?«
    Sie saß mit dem Rücken zum Holz inmitten zerrissenen Leinens und zerbrochenen Geschirrs, und ihre Hände zitterten. Im Licht einer der wenigen noch brennenden Fackeln sah ich deutlich ihr Gesicht. Ihre Haut wirkte wie Wachs. So hatte ich sie noch nie in einem Duell gesehen, noch nicht einmal am Strand der Normandie.
    Das ist der Schock. Eine Schlacht ist etwas anderes als ein Duell, und

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