1610 02 - Kinder des Hermes
vorbei, raffte meinen Rock und trat zu.
Soldaten mauern nicht so gut wie Handwerker. Die Wand gab nach und brach schließlich zusammen. Ein kalter Wind wehte uns aus der Dunkelheit dahinter entgegen.
»Lasst mich los!«, bellte James Stuart laut genug, um mich zu erschrecken.
»Wir müssen gehen, Euer Majestät.« Ich dachte darüber nach, ihm einen kräftigen Schlag aufs Kinn zu verpassen. Aber dann müssten wir ihn tragen, und bei meinem Glück würde er mir vermutlich noch wegsterben.
James riss die Augen auf. »Heinrich hat auf mich eingestochen! Mein Sohn!«
»Wir müssen gehen!« Dariole trat von einem Fuß auf den anderen und blickte zum König hinauf. »Messire, sagt es ihm! Wir müssen gehen!«
Ich packte den König am Arm und zerrte ihn in die Dunkelheit der Höhle jenseits der Mauer.
Gut eine Viertelstunde später, als kein Geräusch mehr zu hören war, blieb ich sehen. »Sie werden uns folgen … vermutlich tun sie das bereits.«
»Gibt es hier einen Weg hinaus?«, verlangte Saburo zu wissen.
»Ja. Man hat ihn mir gezeigt …« Ich hielt inne.
Caterina hatte ihn mir gezeigt.
Falls Fludd schon davon wusste …
»Wir müssen nachdenken.« Ich stellte meine Laterne auf einen Kalksteinfelsen. Um uns herum erstreckte sich ein Wald aus Stalagmiten. »Einfach fortzurennen, ist nutzlos. Wir müssen nachdenken.«
»Was?«, fragte Dariole ungläubig und zog gedankenverloren ihre Hose zurecht. Ich wusste nicht, ob ich unter den gegebenen Umständen lachen oder weinen sollte.
»Wir müssen akzeptieren, dass Robert Fludd all das berechnet hat«, sagte ich und deutete mit einer weit ausholenden Geste auf die Höhlen, das Lager draußen, Heinrich Stuart und den König neben mir. »Wir müssen akzeptieren, dass er Jahre dafür Zeit gehabt hat. Was schließen wir daraus?«
Die junge Frau schüttelte stumm den Kopf. Saburo und der König starrten mich nur an. Ich sprach zu ihnen allen, aber ich schaute zu Dariole.
»Wenn er berechnet hat, unter welchen Umständen er an sein Ziel gelangt«, sagte ich, »dann hat er auch alle Möglichkeiten errechnet, wie er scheitern könnte. So hat er zum Beispiel mit Sicherheit errechnet, dass Cecil Soldaten hierher bringen würde, sonst wären Heinrichs Männer nicht hier gewesen. Vielleicht sollten sie uns ja nur vertreiben, um James dann hier, in aller Stille umzubringen anstatt auf der Bühne. Ich glaube, dass Fludd alle Möglichkeiten errechnet hat, in die sich die Ereignisse haben entwickeln können, nachdem das Kämpfen erst einmal begonnen hat – das und die genaue Zeitenabfolge der Geschehnisse.«
»Aber du kannst dich entscheiden, einen anderen Weg zu gehen«, sagte eine Stimme aus der Dunkelheit, »und Dariole ist diejenige, welche die Berechnungen des Londoner Meisters zunichte machen kann.«
Saburo grunzte. Dariole wirbelte herum und starrte die alte Frau an, während König James weiterhin gedankenverloren in die Dunkelheit blickte. Als Caterina ins Laternenlicht trat, wanderten ihre dunklen Augen kurz über mein Kleid. Trotzig erwiderte ich ihren Blick.
»Himmel!«, bemerkte sie.
»Suor Caterina.« Ich hatte sie schon fast erwartet, sodass mich ihr Erscheinen nun keineswegs überraschte. Ich nahm an, dass sie sich schon einige Stunden zuvor auf den langen Marsch von Cheddar Gorge hier hinunter gemacht hatte – oder aber sie hatte irgendeinen unglückseligen Soldaten dazu überredet, sie zu sich auf den Sattel zu nehmen.
Dariole wandte sich an die Nonne: »Ihr habt gesagt, dass ich Entscheidungen treffen sollte. Hier bleiben oder gehen. Und ich sage, wir sollten hier raus. Sofort!«
Ich drehte mich um und sah, dass der König zitternd auf seinen Füßen stand; der Samurai stützte ihn nicht länger. »Wir können in der Tat nicht länger in diesen Höhlen bleiben. Darin stimmen wir wohl alle überein.«
Saburo verneigte sich auf eine Art vor James, die einer Mischung aus englischem und nihonesischem Brauch entsprach, in jedem Fall sehr tief. »König-Kaiser, mein daimyo und mein Shogun haben unsere Gesandtschaft hierher geschickt, um mit Euch und niemand anderem Handelsgespräche aufzunehmen. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass Ihr auf dem Thron bleibt. Mein Schwert steht Euch zu Diensten, Herr. Wir müssen fort von hier.«
Ich konnte es ihm nicht verübeln, dass er aus der Situation seinen Vorteil zog. Ich beugte mich vor und sagte Saburo leise ins Ohr:
»Knien, Hände küssen … keine Diskussion.«
Der stämmige, dunkle Mann tat, was ich
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