Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
Vom Netzwerk:
das ist ihre erste.
    Kaum hörbar flüsterte sie: »Ich glaube, ich habe mir in die Hose gepisst.«
    Vorsichtig streckte ich die Hand nach ihr aus und lächelte sie schief an. »Damit seid Ihr dann Mitglied einer uralten und ehrenhaften Bruderschaft geworden. Ich schlage vor, dass Ihr Hauptmann Spofforth nicht eingehender nach dem Zustand seiner Unterwäsche befragt, auch wenn er ein erfahrener Soldat ist – und auch nicht Monsieur Saburo, wo wir schon einmal dabei sind. Ich vermute, dass er sich auf seinem ›Weg des Samurai‹ genauso in die Hose pisst wie wir Europäer …«
    Diese Art von lockerem Blödsinn funktionierte, wie sie es meistens tut. In den Niederlanden hatte ich schon viele junge Männer im gleichen Zustand wie Mademoiselle Dariole gesehen. Die Schrecken des Krieges brechen so manchen Stolz.
    »Ich habe das Gleiche getan, Mademoiselle, als ich zum ersten Mal Geschützdonner gehört habe – was ziemlich peinlich war, da es sich um unsere Geschütze gehandelt hat.«
    Dariole musste unwillkürlich lachen. Zwar sah sie noch immer aus, als müsse sie sich jeden Augenblick übergeben, aber ihr Blick war schon nicht mehr so leer wie noch kurz zuvor.
    »Ihr dürft raten, wie alt ich damals war, Mademoiselle …«
    »Fünfzehn? Sechzehn?«
    »Zweiundzwanzig.«
    Wieder lachte sie, diesmal lauter. Dann ergriff sie meine Hand und ließ sich von mir aus der Deckung ziehen.
    »Nehmt James!«, befahl ich, blickte nach oben und nickte Spofforth knapp zu.
    Ein einzelner Schuss ertönte unmittelbar vor Spofforths erster Salve, und ich hörte einen Mann am Höhleneingang schreien. Dem Geräusch nach zu urteilen, war er in den Bauch getroffen worden. Noch immer in der Hocke, den Rock um meinen Arm geschlungen hustete ich, als Pulverdampf mir im Hals brannte.
    »Wenn sie angreifen …«, begann ich und würgte. Der Pulverrauch war so dick, dass das Fackellicht ihn kaum durchdrang, und ich musste die Augen zusammenkneifen, um die Gänge im hinteren Teil der Höhle zu sehen. Und das ist gut so. »Messire Saburo, Mademoiselle Dariole, wir werden den König auf direktem Wege durch die Höhlen hinter uns hinausbringen. Sobald wir losgelaufen sind, dürft Ihr nicht mehr anhalten. Ist das klar?«
    »Hai!«
    Dariole blickte mich über James' Kopf hinweg kränklich an, nickte aber entschlossen.
    Ich steckte Zunder, Pulver und die Pistole in mein Mieder und nickte Spofforth zu. Er streckte die Hand aus. Ich legte den Rock auf den anderen Arm und schüttelte ihm die Hand. Ich bezweifele, dass ich Euch wiedersehen werde, Hauptmann. Fludd wird nicht daran gedacht haben, seinen Männern zu befehlen, Gefangene zu machen.
    »Viel Glück, Monsieur.« Ich blickte ihm in die Augen.
    »Danke.« Der einfache, zähe Hauptmann grinste. »Und Euch auch viel Glück … ebenso Euch, Madame.«
    Der Feind feuerte abermals eine Salve. Die Luft bebte. Splitter flogen durch die Gegend. Der englische Hauptmann stand auf und brüllte durch den Rauch hindurch: »Feuer!« Selbst die wenigen Musketen seiner Männer verursachten einen ohrenbetäubenden Lärm. Ohne zu zögern, sprang Spofforth über den sich auflösenden Tisch. Zwanzig Mann folgten ihm, warfen die abgefeuerten Musketen beiseite und zogen ihre Rapiere.
    »Los!«, befahl ich. »Rasch!«
    Dariole und Saburo wuchteten James in die Höhe. Ich folgte ihnen und schirmte sie dabei so gut es ging mit meinem Rücken ab. Kampflärm hallte vom Höhleneingang zu uns herüber. Pistolen wurden abgefeuert. Ein Mann heulte wie ein Hund.
    Als wir durch den Seitenausgang stürmten, stieß ich mir die Schulter an der Felswand. In dem darauffolgenden Gang übernahm ich die Führung, trat Kisten beiseite, und Mitglieder von Alleynes Schauspieltruppe sprangen mir kreischend aus dem Weg.
    »Sagt, dass Ihr nichts gesehen habt!«, bellte ich Alleyne zu – obwohl das vermutlich sinnlos war. In der Garderobe angelangt schnappte ich mir mein sächsisches Rapier und den Dolch und warf Mademoiselle Dariole eine Laterne zu. Anschließend schnallte ich mir den Waffengurt um den Reifrock – ein absurdes Bild – und folgte dann Dariole und dem Samurai. Die Füße des schottischen Königs zwischen ihnen berührten kaum den Boden. Saburo hielt den Mann mit brutaler Kraft, und Dariole rief ihm ermutigend zu.
    Der Boden wurde uneben, und immer weniger Stroh fand sich im Gang. Vorsprünge warfen tiefe Schatten. Dann schälte sich plötzlich eine Ziegelwand aus der Dunkelheit.
    »Tretet zurück!« Ich ging an den anderen

Weitere Kostenlose Bücher