1610 02 - Kinder des Hermes
Doktor Fludd reden. Die Reittiere seiner Männer sind bestenfalls minderwertig«, bemerkte ich – wie ich gestehen muss hauptsächlich, um Mademoiselle Dariole ein wenig aufzuheitern.
Sie warf mir einen freudlosen Blick zu, drehte sich aber rasch wieder von mir weg, während wir uns durchs Unterholz kämpften. Der Anblick der uns verfolgenden Reiter brachte sie zum Schweigen. Seit inzwischen über einer Stunde marschierte sie wortlos durch den Sumpf.
Warum?, dachte ich, und dann: Ja … Bis heute Morgen hat sie noch geglaubt, sich nicht vor einer Gefangennahme fürchten zu müssen. Doch nun würde die Angst sie auch in den nächsten Wochen nicht wieder loslassen.
Ich kämpfte mich nach vorn durch und trat schließlich auf einen weiteren, von Hecken begrenzten Weg hinaus. Sonderlich viel Schutz hatten wir hier allerdings nicht. Meine nassen Röcke klebten an meinen Stiefeln, und die Seide wurde mit jedem Tropfen schwerer.
An eines hatte ich in Bezug auf Frauenkleider nie gedacht: Dass man sich ständig auf den Saum tritt. Das ist wohl auch der Grund, warum Frauen stets eine so elegante Haltung haben, die Hände am Rock, damit sie nicht darüber stolpern. Das hat nichts damit zu tun, dass sie besonders damenhaft wirken möchten; sie wollen einfach nicht dauernd auf den Arsch fallen.
Die Säume meiner Unterröcke rissen mehrmals, als ich auf sie trat. Allerdings waren sie derart verdreckt, dass es vermutlich ohnehin niemandem auffallen würde. Würde allerdings jemand aufmerksam an mir hinunterblicken, würde er bemerken, dass diese Frau Männerstiefel trug.
»Offenbar«, bemerkte ich gedankenverloren, »ist es mein Los, mich immer wieder lächerlich zu machen.«
Ein leises, ersticktes Lachen entfuhr Dariole, die neben mir ging.
Ich drehte den Kopf, um sie anzuschauen. Ein tiefes Kichern in meinem Rücken verriet mir, dass sich auch James Stuart in Hörweite befand, der Samurai neben ihm.
Kalter Regen fiel mir ins blankrasierte Gesicht. Ohne Bart kam ich mir irgendwie nackt vor. Ich senkte die Stimme und fügte direkt an Dariole gewandt hinzu: »Muss ich eigentlich wirklich aussprechen, wie absurd ich mir vorkomme?«
Ihr Mund bewegte sich, als würde ihre Angst sich gegen ihren Willen verflüchtigen. »Nein, Messire. Das ist in der Tat nicht notwendig.«
Ich blickte an mir hinab. »Ich frage mich, ob ich unter den gegebenen Umständen behaupten kann, Stiefel zu tragen, weil sie Frauenschuhen so überlegen sind. Oder ist es so offensichtlich, dass ich ein Mann bin?«
Dariole blinzelte im Regen und warf mir einen Blick zu, der sehr zu meiner Freude der des jungen Fechters war, den ich aus Paris kannte. Ich las ihre Gedanken so deutlich, als hätte sie sie ausgesprochen. Selbst das prachtvollste, geschickt gefertigste Mieder der Welt würde dem über sechs Fuß großen Monsieur Rochefort keinen Busen verleihen …
»Mademoiselle, in einer Welt, in der es so wenige Spiegel gibt, sollte man glauben, dass mir das Wissen erspart bleiben würde, was für ein Bild ich abgebe. Aber dem ist nicht so. Ich sehe es deutlich in Ihren Augen.«
Der Sommerregen hatte ihr Wams und ihre Hose durchnässt. Wasser tropfte aus ihren Haaren und in ihre Augen und ließ Dariole blinzeln. Bei jedem Schritt drohte sie, im Schlamm zu versinken, und nur mit Mühe zog sie die Füße wieder heraus.
Sie streckte die Arme aus, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, und hielt sich unbeholfen an mir fest. »Meine Angst ist noch lange nicht groß genug, um sie an Euch auszulassen, Messire. Ob Ihr es glaubt oder nicht. Ihr seid in Sicherheit.«
Sie drückte einmal kurz zu und ließ mich dann wieder los.
Ich spürte einen Schmerz in meiner Kehle. Eine Demütigung kann tief gehen. Sie hatte die Festhöhle noch nicht vergessen. Und doch versucht sie, mich zu trösten.
Sie hat Angst, dachte ich. Ich kenne kein Heilmittel dafür außer bei jungen Männern, und da gilt es, sie zu zwingen, sich ihren Ängsten zu stellen. Was ich bei jungen Frauen machen soll, davon habe ich noch nicht einmal eine Ahnung.
»Ich glaube Euch, Mademoiselle.« Ich deutete vor uns auf eine Wegbiegung. »Bitte, tut mir den Gefallen, und erkundet das Gelände vor uns. Ihr und Messire Saburo.«
Dariole nickte knapp, als würde sie so etwas wie Angst überhaupt nicht kennen. Dann machte sie kehrt und winkte dem Samurai.
»Nicht länger als fünfzehn Minuten«, warnte ich sie. »die aber möglichst voll ausnutzen.«
Ob wir nun ritten oder zu Fuß gingen, die
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