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1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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Entfernungen in diesem Land schienen gleich zu bleiben. Ich zog den König in den Schutz einer Hecke, als Dariole und Saburo an uns vorbeigingen. Ihre Schritte verhallten rasch im Prasseln des Regens.
    Da ich nicht lange ruhig bleiben konnte, trat ich wieder auf die Straße hinaus. Ohne Sonne, an der ich mich zeitlich orientieren könnte, werde ich ihnen wohl einiges an Spielraum lassen müssen …
    Ich starrte nach Osten, während ich im Geiste die Minuten zählte, und meine Augen mit den Händen vor dem Regen schützte. Eine graue Linie markierte den Horizont.
    Irgendwie kommen mir die Hügel kleiner vor als bei meinen Erkundungsritten. Wie weit nach Westen sind, wir eigentlich schon gekommen?
    Irgendwo zwischen uns und diesen Hügeln – und wenn wir Pech hatten auch hinter uns – suchten Heinrichs Männer nach uns, und die hatten mit Sicherheit so viele Pferde dabei, wie sie benötigten.
    Wenn es uns nicht gelingt, ihren Kordon zu umgehen … Was liegt westlich von uns? Das Meer? Mit dem Meer im Rücken säßen wir in der Falle.
    James Stuart steckte den Kopf aus dem Weißdornstrauch, in dem er hockte. Sein austernfarbenes Festwams und die dazu passende Hose hatten inzwischen einen ›schlammfarbenen‹ Ton angenommen. Auch war er nicht weniger nass als ich. Regentropfen sammelten sich in seinem spitzen Bart, und er blinzelte mich mit wässrigen Augen an.
    Mit einem fast unverständlichen, schottischen Akzent fragte er: »Wo sind sie? Sind sie schon wieder zurück? Ist hier irgendwer?«
    »Ich werde nachsehen, Sire. Wartet hier.«
    Offensichtlich gefiel es ihm nicht, Befehle erteilt zu bekommen. »Sollen Wir etwa wie ein toter Hirsch in diesem Strauch hier aufgebahrt werden?«
    So an das Hofleben gewöhnt, wie er war, hätte er mir ehrlich Leid getan, wenn ich nicht ebenso verdreckt gewesen wäre wie er. »Bitte, akzeptiert meine Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten, Sire.«
    »Verschmutzte Kleider oder der Regen sind Uns egal.« James wischte sich das Wasser aus den Augen. »Auf der Jagd waren Wir schon nasser, Uns war kälter, und Wir haben Uns schon deutlich unbehaglicher gefühlt als hier – aber noch nie so untröstlich. Wir haben nicht geglaubt, dass Unser Sohn die Hand gegen Uns erheben würde. Wir haben Uns geirrt.« Entschlossen blickte er mir in die Augen. »Solch ein Irrtum verlangt danach, korrigiert zu werden.«
    Allmählich verstand ich, welche Qualitäten mein Herr, der Herzog, in diesem Mann gesehen hatte.
    James reckte seinen Kopf noch weiter vor und schaute sich um. »Wir werden nach Südwesten getrieben. So kommen wir nie nach Bristol, Master de Rochefort.«
    Nach Südwesten? Aaah … Jäger haben ein Auge für die Landschaft, und da James selbst ein leidenschaftlicher Jäger war, wusste er vermutlich bis auf eine halbe Meile genau, wie weit wir gekommen waren, während ich mich leicht um mehrere Meilen hätte verrechnen können. Nicht nur anhand der Sonne, sondern zum Beispiel auch anhand des Moosbewuchses an den Baumstämmen konnte er erkennen, ob wir nach Norden, Süden, Osten oder Westen gegangen waren. Es war sein Land, nicht meines. Er könnte tatsächlich eine Hilfe für uns sein.
    Wie zur Antwort auf meine Gedanken sagte James: »Die Männer, die Uns verfolgen, werden gute Jäger sein. Wir haben Unseren Sohn auf der Jagd gesehen, auch wenn er sie nicht liebt. Solange Wir zu Fuß gehen müssen, wird er Uns zur Strecke bringen. Wir müssen Uns dringend nach Nordosten wenden.«
    »Wir müssen schneller werden, Sire, das ist wahr.« Ich trat ein, zwei Schritte auf die Straße hinaus, hob meinen Rock mit der Dolchhand und versuchte mit der anderen, den Regen von meinen Augen fernzuhalten. Es gefiel mir nicht, derart im Freien zu sein, selbst nicht für so kurze Zeit.
    Durch den Regen hindurch sah ich weitere Hecken und tiefe Spurrillen, wo vor kurzem Karren über die Straße gerollt waren. Hinter den Hecken erhoben sich Weiden mit ihren langen, spitzen Blättern.
    Und Weiden bedeuteten noch mehr Wasser, mehr Flüsse, mehr Sumpf. Gott stehe uns in seiner Gnade bei! Noch mehr Sümpfe, um sich darin zu verirren und wo ich mit meinen Röcken kaum eine Meile pro Stunde vorwärts komme. Und, das obwohl ich weiß – weiß –, dass unsere Verfolger höchstens drei Stunden hinter uns sind. Und sie kommen rasch näher.
    Der bärtige Kopf in dem nassen Weißdornbusch sprach erneut. »Wir machen uns Sorgen. Der Samurai und Euer Landsmann … ob man sie wohl gefangen genommen hat?«
    Ich hätte

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