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1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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diese Äußerung für einen Ausdruck von Feigheit gehalten, wäre er hier draußen kein anderer James gewesen als bei Hofe. »Ich halte beide für durchaus in der Lage, auf sich aufzupassen, Sire …«
    Gut dreißig Fuß von uns entfernt ertönte das Geräusch von Metall auf Metall.
    Das ist ein Geräusch, das mich selbst in drei Straßen Entfernung aus dem Tiefschlaf wecken kann.
    Das Klirren von Klinge auf Klinge: rasiermesserscharfes Metall, das sich schneller bewegt, als man sehen kann. Schlagen, parieren. Zustoßen, um Blut in hohem Bogen in die Luft zu schleudern.
    Meine freie Hand wanderte zu meiner Brust, und meine triefendnassen Röcke fielen wieder auf meine Füße. Verzweiflung hatte mich dazu bewegt, die Pistole ständig geladen im Mieder zu tragen. Nur ein Narr trägt eine feuerbereite Waffe so, wie ich gestehen muss … es sei denn, die Alternative ist, in ein Laken gehüllt verbuddelt zu werden, oder wie auch immer man die Toten in diesem heidnischen Land bestattete.
    Ich griff nach der Pistole. Ob sie sich in diesem Wetter überhaupt abfeuern lässt?
    »Kommt in Deckung, Master de Rochefort!« James zog sich wieder zwischen die Zweige zurück, spähte aber noch einmal hinaus, um zu sehen, ob ich ihm folgte. »Kommt, Sir! Diesen alten Fuchs werden sie nicht in die Finger bekommen und Euch auch nicht.«
    »Sire …«
    Ich konnte den Ärger in meiner Stimme nicht verbergen.
    »Es sind … Es sind keine Jäger, Sire.«
    Hätte ich nicht gewusst, wie ich aussah – ein Mann in einem zerschundenen Frauenkostüm –, ich hätte die freie Hand zur Faust geballt und sie bei dem einen oder anderen meiner zurückkehrenden Gefährten zum Einsatz gebracht.
    Ihre Umrisse waren durch den Regen hindurch deutlich zu erkennen.
    »Ich weiß nicht, warum ich je daran gezweifelt habe!«, knurrte ich. »Wer sonst wäre so dumm, mitten in einem Regenguss, mitten im Sumpf und mitten in einer Jagd, die uns jederzeit das Leben kosten könnte, mit echten Klingen einen Übungskampf auszufechten?«
    James Stuart hob die Augenbrauen ob meiner rhetorischen Frage – die weit bissiger formuliert war, als es in der Philosophie allgemein üblich ist – und trat aus dem Weißdornstrauch. Er klopfte sich das Wams ab. »Ist der Weg frei, Junge?«
    »Das hoffe ich doch, Sire.« Dariole grinste und fuchtelte weiter mit Dolch und Rapier wie zum Kampf bereit.
    Ich knurrte sie an, teils aus disziplinarischen Gründen, teils aus Wut und teils auch, weil das Ganze ihr offenbar Spaß machte. »Gütiger Gott! Warum zum Teufel fechtet Ihr mitten auf der Straße ein Duell aus? Da draußen sind Reiter, die nach uns suchen. Wir sollten nach Möglichkeit keine Aufmerksamkeit auf uns lenken!«
    »Entschuldigung, gomen nasai.« Saburo warf mir einen nüchternen Blick zu. Überrascht erkannte ich: Er weiß, dass das ihre Moral aufbaut, so tollkühn es auch sein mag.
    Und sie … Ja, sie weiß das Gleiche über ihn.
    Denn wir werden jeden von uns brauchen, wenn wir den Jägern des Prinzen entkommen wollen.
    Darioles Grinsen wurde immer breiter. Sie trat einen Schritt zurück und senkte das Schwert. »Ich bin das Laufen ja so leid. Messire Rochefort, rafft Eure Röcke, und zeigt bei der nächsten, vorbeikommenden Kutsche mal ein wenig Bein! Vielleicht bekommen wir so ja eine Mitfahrgelegenheit.«
    »Seid vorsichtig, Mademoiselle. Ich könnte daran Anstoß nehmen.«
    Tanaka Saburo steckte seine Kattanklingen wieder weg, die wie Spiegel schimmerten. Über uns brach die Wolkendecke auf, und die ersten Strahlen der spätmorgendlichen Sonne fielen auf uns hinab. Ich führte James Stuart auf die Straße.
    Es freute mich zu sehen, dass Mademoiselle Dariole hinter vorgehaltener Hand lächelte. Sie verneigte sich vor dem leicht verwirrten, schottischen Gentleman mittleren Alters – oder zumindest hoffte ich, dass Passanten ihn dafür halten würden – und sagte: »Wir werden entkommen, Euer Majestät. Ihr werdet schon sehen. Ich wollte nur …«
    Zur Erklärung machte sie eine Geste mit dem Rapier. James zuckte unwillkürlich zusammen. Eine blanke Klinge in seiner Gegenwart, noch dazu hier draußen in der Wildnis war er einfach nicht gewohnt. Und ich wusste auch nicht, wie ich ihm hätte erklären sollen, was für ein Trost die Waffe für Dariole darstellte.
    Zur Beruhigung sagte ich nur: »Sire, wir werden nach London kommen. Wir alle. Mademoiselle, lasst uns nicht weiter hier herumstehen, wo jedermann uns debattieren sehen kann! Ich nehme an, Ihr habt nichts

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