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1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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verlangte ich zu wissen.
    »Die Pest«, antwortete James Stuart knapp. »Der Mann hat Uns erzählt, dass die Pest seit dem zwölften dieses Monats so schlimm wütet wie schon seit Jahren nicht mehr! Der Bürgermeister ist fort, ebenso wie die Stadträte. Selbst die Ärzte sind nicht länger geblieben! Kaum jemand wird dort sein, um die falsche Krönung meines verräterischen Sohnes zu bezeugen außer den Armen in den Vorstädten!«
    Zum Schutz vor der Gischt kniff ich die Augen zusammen. »Heinrich ist noch nicht gekrönt?«
    James winkte abschätzig ab, als wäre ich ein Schüler, der ihn mit einer trivialen Frage belästigte. »Wir sind der von Gott gesalbte König. Falls Unser Sohn beschließt, sich heute oder morgen darüber hinwegzusetzen, was geht Uns das an? Habt Ihr mir nicht zugehört? Die Pest! Die gesamte Stadt ist verseucht! Unsere Bürger sind auf und davon!«
    Saburo wirkte vollkommen teilnahmslos – allerdings war auch nicht ganz klar, wie viel von James' breitem Akzent er verstand. Und Mademoiselle Dariole drehte sich in meine Richtung, die Augen gegen die Sonne fast geschlossen, sodass ich ihren Gesichtsausdruck nicht deuten konnte.
    Verwirrt suchte ich nach einer diplomatischen Erwiderung und murmelte: »Sire, je weniger Leute dort sind, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung …«
    »Glaubt Ihr etwa, ich hätte Angst?« Dank seines offensichtlichen Zorns vergaß er sogar den pluralis majestatis. »Ich, der Morays Geisel war, als dieser sich ›Regent von Schottland‹ schimpfte?«
    »Sire …«
    »Als Kind war ich nichts weiter als ein Spielball der Mächtigen – Beute für jeden Laird, der mich in die Finger bekommen konnte! Ich bin Gefahr gewohnt!« James' Stimme zitterte förmlich vor Wut. »Hört Ihr mich? Sie haben einen Mann zu den Füßen meiner Mutter erschlagen, als sie mit mir im siebten Monat schwanger war. Ihr Rock triefte von seinem Blut, wo er sich an sie geklammert hatte, auf dass sie ihn retten möge. Mein Vater … Mein Vater ist von einer Pulverladung in Kirk O'Fields in den Himmel geschleudert worden, und meiner Mutter hat man die Schuld daran gegeben. Elisabeth, diese Hure, hat sie dafür hinrichten lassen …«
    »Eine wahrlich vom Pech verfolgte Familie«, bemerkte ich und brachte James damit wenigstens zum Schweigen. Mademoiselle Dariole schluckte ein Lachen hinunter.
    Ich fügte hinzu: »Wenn Ihr keine Angst vor der Pest habt – was wollt Ihr uns dann sagen, Sire?«
    Eine graue Linie durchbrach die Meeresoberfläche. Der unbeholfene, fette Mann mittleren Alters deutete auf die Themsemündung. »Dort ist Unser verräterischer Sohn. Man hat Uns erzählt, dass er die Lüge verbreite, Wir seien tot … dass in den Höhlen von Somerset das Wasser gestiegen sei und Unseren Leichnam fortgespült habe.« Er schauderte und blickte mich mit kalten Augen an. »Unser Sohn weiß, dass Hexen einmal versucht haben, Uns und Unsere Anne zu ertränken, als wir mit dem Schiff nach England gefahren sind. Das macht diese Lüge nur umso schmerzhafter.«
    In der Tat sah ich weniger Furcht in seinen Augen als vielmehr Kummer. Sanft sagte ich: »Er muss etwas zu Eurem Tod sagen, Sire. Wie sollte er sich sonst zum König krönen lassen?«
    James nickte. Er nahm eine schulmeisterliche Haltung an, von der ich wusste, dass sie ihm eine gewisse Sicherheit gab.
    »Aye. Dieser Robert Fludd, der ihn verzaubert hat, ist ein zweiter Doktor Dee. Er beherrscht die Hexenkunst und wohl auch die Pest. Er will Unseren Sohn auf dem Thron sehen, damit er das bösartige Kind nach seinem Gutdünken lenken kann. Aber denkt nach, Mann! Wir sind James, König von England und Schottland … doch wer soll das bezeugen? Wer soll sehen, dass Wir noch immer leben? Alle Männer von Bedeutung, alle Edelleute, Bürger … Alle sind sie fort. Wen sollen Wir rufen, um zu bezeugen, dass Wir wieder nach London zurückgekehrt sind?«
    Ich sah, wie Saburo das Gesicht verzog und Dariole den Mund öffnete, um König James zu unterbrechen. Ich trat ihr unauffällig auf den Fuß, und sie funkelte mich an – eine Geste, die ich aus irgendeinem Grund als sehr beruhigend empfand.
    Der König sagte: »Die Bürger haben sich in ihren Häusern eingeschlossen, wenn sie nicht über genügend Geld verfügen, um davonzulaufen. Wir können nicht aufs Land gehen. Der Mann von dem Schiff hat Uns erzählt, dass man selbst Ritter mit gut gefüllten Börsen mit Piken und Knüppeln von den Toren anderer Städte wegjagt, falls sie

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