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1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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nichts zu sagen habt.« Ich drehte mich um und lehnte mich mit dem Rücken an die Reling, damit ich ihr Gesicht sehen konnte.
    Sie verlor die Fassung. »Ich habe Euch sogar eine ganze Menge zu sagen, Rochefort, aber vertraut mir: Ihr wollt es nicht hören!«
    Trotz ihrer glatten Wangen hätte sie gut als ein Junge von etwa zwanzig Jahren durchgehen können. Nur passte das irgendwie nicht zu dem verdreckten Wams und der roten Hose, die eher einem Straßenschläger zu gehören schienen. Zu wissen, dass auch die schmale Hüfte, um die der Schwertgurt geschlungen war, die einer jungen Frau war …
    Schließlich drehte sie den Kopf, um mich anzuschauen. Ihre Augen funkelten. »Ihr glaubt, dass Fludd in London ist. Ihr sagt es zwar nicht, aber ich weiß, dass Ihr das denkt. Sein Heinrich IX., sein erster in der Reihe ›ewiger Könige‹, wie Caterina gesagt hat … Er wird dort sein. Und Ihr glaubt, dass ich ihn am Leben lassen würde!«
    Frustriert, nachdem ich meinen Gedankenfaden verloren hatte, ließ auch ich meinem Temperament freien Lauf. »Mademoiselle, nicht er hat Euch missbraucht! Warum wollt Ihr nicht seine Diener töten? Eure Chancen stünden besser, Luke und John zu finden, wer von den beiden Euch auch immer …« Ich fand keine Worte dafür, die ihr keinen Schmerz verursacht und meine Wut nicht weiter angefacht hätten. »Ich frage mich, warum Ihr Robert Fludd die Schuld an allem gebt! Er hat sich nur zurückgehalten. Es war sein Mann, der … der Euch verdorben hat …«
    Sie stieß sich von der Reling ab. Ihre Augen schimmerten dunkel in ihrem Gesicht, das nun vollkommen bleich war. »›Verdorben‹. Wie ein Stück Fleisch? Ist es das, Messire? Ist es das, was ich bin?«
    »Mademoiselle!«, protestierte ich.
    Sie drehte sich um und stapfte das Deck hinunter. Ich schaute auf meine Hände hinab. Krampfhaft klammerte ich mich an die Reling.
    »Gütiger Gott!«, murmelte ich. Warum kann ich ihr die Dinge nicht so sagen, wie ich sie meine?
    Ich fand sie bei einem Laderaum im Bug der Martha. Sie hatte die Beine untergeschlagen und schaute zur Küste von Essex am Horizont, während wir in Richtung Nordwesten fuhren.
    Sie hob das Kinn, das auf ihrer Hand gelegen hatte, sagte aber kein Wort.
    Der frische Wind wehte mein Haar nach vorn und zerzauste den Federbusch auf meinem Hut – in Bridgwater hatte es genug Läden gegeben, um wieder einen Gentleman aus mir zu machen.
    Ich zog den Hut aus und ließ mich vor Dariole auf ein Knie nieder wie zu einer höfischen Verbeugung.
    Bevor sie reagieren konnte, packte ich ihren Fuß, beugte mich vor und küsste ihren Stiefel.
    »Messire!«
    »Es gibt Dinge, die man nicht sagen kann … Man kann sie nur demonstrieren.« Ich blieb knien und blickte zu ihr hinauf. »Ich habe Euch nie als verdorbene Ware betrachtet und werde es auch nie. Ich küsse Eure Hände und Füße und bitte Euch demütig um Vergebung, dass ich das nicht schon sofort gesagt habe.«
    Benommen streckte sie den Arm aus. Ich ergriff ihn und küsste ihre nackten, vernarbten Finger.
    »Ihr hasst mich dafür, weil ich nicht wünsche, dass Ihr Fludd tötet. Aber, so wahr mir Gott helfe, ich will, dass Ihr ihn tötet! Wenn es doch nur möglich wäre. Ich würde ihn ja selbst töten wollen.«
    Ihr Blick wirkte kalt und erwachsen.
    Wie unter Zwang schloss sie die Hand um meine.
    »Warum?«
    Sie implizierte mehr, als sie sagte; so viel wurde mir klar. Entweder zitterte meine Hand oder ihre, ich weiß es nicht mehr. Ich kniete wie der Gentleman, der ich schon seit zwei Jahrzehnten nicht mehr war, und sagte: »Warum ich das sage, anstatt mich an Eurem Leid und Eurer Demütigung zu ergötzen? Warum, obwohl ich Euch in Paris noch habe umbringen wollen? Warum ich mir wünsche, Euch zu helfen, auch wenn ich es nicht kann?«
    Dariole presste die Lippen aufeinander. Dann nickte sie. »Ja, eine Antwort auf diese Fragen wäre für den Anfang nicht schlecht.«
    Ich versuchte, mir die gewandten Reden ins Gedächtnis zurückzurufen, die mir in den letzten Tagen in den Sinn gekommen waren, doch in diesem Augenblick brachte ich nur ein Seufzen heraus.
    »Betrachtet es als Scherz auf meine Kosten«, sagte ich schließlich. »Monsieur Rochefort, der einst Euer Feind war, ist … Er sorgt sich genauso sehr um Euer Wohlergehen wie Ihr selbst. Ihr habt keinerlei Grund, in irgendeiner Weise gut von mir zu denken. Ich bin der Mann, der Euch getötet hätte; aber wenn ich Euch zu Eurer Rache verhelfen könnte, wenn das irgendwie möglich

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