1610 02 - Kinder des Hermes
meinem Tod verbreiten
und sie so vor mein Grabmal bringen,
auf dass meine Rache sie unvorbereitet treffen möge.
Doch ach, ist es kein böses Omen, das zu spielen?
Nein – selbst die besten Omen vermögen diese Stunde nicht zu meiden.
Ein Leichentuch werd' ich benutzen, um mein Geheimnis vor allen unfreundlichen Augen zu verschleiern;
mein Grabmal, obwohl hohl wie ein fauler Zahn,
soll meine Zukunft bergen.
Und doch, was ist das? Ein Grab, so schlicht,
verschlingt die Zukunft und bewahrt sie,
macht Zweck mit Verderbnis ganz zunichte.
Doch ist nicht, was zählt, dass die Vipern an meinem Busen
einen leeren, hohlen Ort zu sehn bekommen?
Wenn ich Staub bin in eines Bettlers Grab,
so acht' ich nicht auf Pracht und nicht auf Armut.
Diese Geschichte zu erzählen, nimmt nur vorweg
in Jahren, vielleicht auch Tagen,
die Stunde, da der Tod muss kommen;
und aye, kommen muss er.
Die Viper muss die Haut abstreifen,
auf dass die eis'gen Knochen sichtbar werden.
Der Schlange Zahn fordert kein Blut mehr, keinen Atem, und Schönheit fällt der Fäulnis des Todes anheim!
[HIPPOLYTO, der Unzufriedene, gibt der HERZOGIN VITTORIA etwas, das sie für einen Schlaftrunk hält, um damit ihren eigenen Tod vorzutäuschen. Doch HIPPOLYTO hat insgeheim Gift beigemischt.]
HIPPOLYTO (ein wenig abseits):
Aye, schlaf. Und bete, bevor du dich zur Ruhe bettest.
Reinige deine Seele in der Beichte.
Du glaubst, dich niederzulegen,
um dich am Morgen wieder zu erheben.
Viele Kranke denken solchermaßen;
Menschen, die nicht wissen, wie tödlich ihre Krankheit ist.
HERZOGIN:
Gebt mir den Trank. Oh, er ist kalt! Kalt!
Tödliche Kälte strömt durch meine Adern.
Ich spüre des schwarzen Schlafes Flut,
wie sie der Seele Ufer überspült.
Diese Flut, sie zerrt an meinem Herzen.
Ein Schiff setzt Segel, wohin, das weiß ich nicht.
Ich bin das Schiff,
bin jenseits des Hafens, zum Segeln verflucht.
Mit eig'ner Hand hab ich die Segel gesetzt,
mein eigener Mörder …
Mörder? Nur drei Tage werd' ich schlafen;
drei Tage, drei Nächte, und mich dann erheben.
Sir, warum schaut Ihr mich so seltsam an?
Warum so düster?
HIPPOLYTO:
Schaut her, Ihr Viper,
da windet Ihr Euch zum letzten Mal!
Ihr seid gefangen; Ihr gehört mir.
Aye, mir! Ich habe Euren Leib, nicht Eure Seele.
Eure Seele schicke ich zu Jahwe, Euer schönes Fleisch
verbleibt hier unten mit nur noch einem Hauch von Wärme.
Ich will mein eig'nes Fleisch drauflegen, Lippe auf Lippe …
[ Küsst sie. ]
Wie, Ihr beißt mich, Weib? Die Schlange hat noch Zähne?
Dann nimm das.
[ Schlägt sie. ]
HERZOGIN:
Schlagt zu, schlagt zu, Ihr Kröte!
Einen Schlag will ich eher von Euch ertragen als einen Kuss.
Und ich werde zurückschlagen …
doch meine Kraft verlässt mich.
Welch Narretei ist das? Welch ein Verrat?
Ich sinke.
Die Last des Todes drückt mich nieder,
beugt meine Schultern, presst mich zur Erde.
Die Erde, in der ich ruhen werde?
Nein, ruhen werde ich nicht!
Ich werde auferstehen, um Euch zu jagen.
Wie ein Hund werde ich Euch auf Schritt und Tritt verfolgen.
Zum Morgen, zum Mittag, zum Abend und auch im Ehebett!
Wo Ihr auch seid, Schurke, sehet mein Gesicht,
und höret meine Stimme, wie sie der Welt verkündet:
Verrat!
HIPPOLYTO:
Nun möge sanfter Schlaf Euch zu sich nehmen,
Und nach dem Schlaf der Tod.
Werdet kalt, ihr Arme schön wie Alabaster.
Verglüht, ihr Augen, die ihr den Hof habt strahlen lassen.
Liegt still, ihr Hände, die ihr zur Sünde oft gelockt.
Ihr kleinen Hände rührt euch nicht.
Schweig, du Stimme, die mich in tausend Sprachen
hat verzaubert, auf dass ich dir in allem
zu meiner Verdammnis folgen mochte.
Oh, schweig, schweig!
Seid Ihr noch nicht tot?
HERZOGIN:
Euer Wunsch sei Euch erfüllt: Ich sterbe.
HIPPOLYTO:
Ich werde diesen Leib zu seiner Ruhestätte tragen,
in die Gesellschaft aller Toten der Visconti.
Ach, Herzogin!
Heute sollten wir Eure Hochzeit feiern …
Die Kirche ist bescheiden, und es mangelt Ihr ein wenig
an Bequemlichkeit.
Madame, ernst und feierlich ist es hier, ja gar ein wenig düster.
Die Gemeinde ist klein, und alle schweigen.
Die Braut trägt schwarz – ach, welch ein böser Scherz!
Der Bräutigam, den Ihr erwartet, ist ein Fremder,
zu alt und kalt für so ein junges Leben.
Es ist der Tod, der kommt. Ach, welch Feierlichkeiten.
Eulen spielen Euch den Hochzeitsmarsch, und Euer Ring
ist die sich um Euch schließende Dunkelheit.
Vom Tageslicht wird sie Euch trennen –
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