1610 02 - Kinder des Hermes
betrifft … Nun gut, Master de Rochefort. Ja. ›The Rose.‹ In dieser Angelegenheit werden Wir Uns Euch anvertrauen.«
Teil Vier
Die Viper und ihre Brut
Fragmente, von Aemilia Lanier (?), ca. 1610 (?)
[Anm. des Übersetzers: Auch wenn sich in Philip Henslowes Tagebuch Hinweise auf Aufführungen von Die Viper und ihre Brut finden, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass wir hier Überreste dieser Version des Stückes haben. In jedem Fall hätte der Haushofmeister im Jahre 1610 ein Stück dieses Inhalts niemals zur öffentlichen Aufführung zugelassen.
Womöglich handelt es sich hier also um Rohentwürfe, die für die Endfassung der Viper wieder verworfen wurden, da es ihnen an direktem Bezug zu Heinrich IX. und seiner Thronbesteigung mangelt.
Falls es sich hier jedoch um einen jener ›Teile‹ handeln sollte, die Aemilia Lanier zeitgenössischen Berichten zufolge von Valentin Raoul Rochefort bekommen hat, dann stellt er geradezu die Antithese zu ihrer späteren, frommen Poesie dar, wie man sie zum Beispiel in Salve Deus Rex Judaorum findet. Einige der Themen würden allerdings zu dem passen, was Rochefort über seine Gespräche mit Elena Zorzi/Caterina berichtet. Aber auch wenn wir aus den Memoiren wissen, dass Aemilia Lanier einige Zeit in Wookey Hole verbracht hat – einen Teil davon auch ohne, dass Monsieur Rochefort dort gewesen wäre –, so gibt es doch keinerlei Hinweise darauf, dass die beiden Frauen Kontakt zueinander gehabt haben.
Ähnlichkeiten bestehen jedoch zur Tragödie des Atheisten, die mal Cyril Tourneur, mal Thomas Middleton zugeschrieben wird, und die vermutlich irgendwann zwischen 1608 und 1611 entstanden ist. Allerdings steht zu bezweifeln, dass selbst eine komplette Viper so komisch gewesen wäre, wenn auch unabsichtlich. Manfreda Visconti war im Übrigen die ›Päpstin‹ der Guglielmiten. Im Jahre 1300 wurde sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt und war angeblich das Vorbild für eine Tarotkarte.
[Lord HIPPOLYTO, der Unzufriedene, erscheint mit einem LORD, der neu bei Hofe ist, bevor die HERZOGIN von Mailand, VITTORIA VISCONTI, in einer Prozession den Raum betritt.]
HIPPOLYTO:
Unsere Herzogin?
Es heißt, sie habe sich mit ihrem Bruder gepaart,
woraus die Vipernbrut zu ihren Füßen entsprang.
Ein Hexensabbat mag wohl freundlicher sein.
LORD:
Warum solch Gram? Haben sie Euch ein Leid angetan?
HIPPOLYTO:
In mir, Sir, seht Ihr einen ruinierten Mann.
Einen Mann, der einst Länder hatte, Ehre, einen Namen, und nun habe ich nur mein Schwert.
Hippolyto, das bin ich, der Unglückliche.
LORD:
Eure Wunde?
HIPPOLYTO:
Diese Herzogin hatte eine Tochter, verliebt in einen Mann, welcher bereits in einer Ehe gebunden war.
Sie war seine Geliebte, und dann …
… dann hat sie selbst ein Kind empfangen.
Um ihren Namen zu retten, hat die Herzogin einen Mann gesucht, der bereit war, verdorbene Ware zu ehelichen;
und dieser ältliche Narr, (verliebt wie er war) heiratete die junge Hure.
Ein Hirsch war er, mit gewaltigem Geweih noch vor der Hochzeit.
Mein Weib gibt nun weiter die Geliebte,
verspielt die Juwelen meines Hauses,
treibt mich in den Schuldenturm, in Schande und sie Verzweiflung.
LORD:
Und niemand wagt es, ihr zu sagen: Nein?
HIPPOLYTO:
Vittoria, die Verdammte!
Die Viper ist ihr Muttertier.
Gebt dem Welpen nicht die Schuld! Sie ist das Kind der Hündin, deren hässliche Fratze sich in ihr zeigt.
LORD:
Bitte, verzeiht.
Wie ich sehe, liebt Ihr diese Dame noch.
HIPPOLYTO:
Das ist das Verdammenswerte. Ich muss bei Hofe leben – denn wo sonst soll ein Mann leben? –, und jeden Tag sehe ich ihre Untreue vor mir.
Doch schaut. Hier kommt der Hof.
[Einzug HERZOGIN VITTORIA; mit ihren TÖCHTERN und HÖFLINGEN bewegt sie sich in einer Prozession über die Bühne.]
HIPPOLYTO:
Ich werd' sie Euch benennen.
Merkt Euch die Vipern, ehe Ihr einen Fuß in Reichweite ihrer gift'gen Zähne setzt!
Zuerst ist da Vittoria, edle Fürstin und Hure, die Herzogin unseres Staates. Oh, merkt sie Euch gut!
Niemals werdet Ihr einen fauleren Anblick als diesen sehen.
Die weiße Viper, die sich um uns schlingt …
wie die Fäulnis um einen Leichnam,
oder Nebel, der tückisch den stinkenden Sumpf verbirgt.
Solch ein schönes Gesicht, doch welch ein faules Herz.
[…]
[Die HERZOGIN VITTORIA beschließt, ihre eigene Beerdigung vorzutäuschen, um die Verräter am Hofe von Mailand bloßzustellen.]
HERZOGIN:
So will ich denn all meine Feinde betören.
Ich werde die Neuigkeit von
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