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1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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trennen für alle Zeit.
    ECHO:
    Für alle Zeit!
    HIPPOLYTO:
    Ein Echo gibt mir Antwort?
    Oder ist das der Teufel, der hier versucht, mich zu verspotten?
    Was sagt Ihr, Satan? Ist sie bei Euch dort drunten?
    Diese Verdammte der Verdammten, diese Viper in Menschengestalt?
    Ich bekomme keine Antwort? Nun, Herr Teufel, es ist ja auch egal.
    Ob nun der Himmel oder die Hölle sie zu sich gebeten hat,
    sie kann nicht zurückkehren.
    ECHO:
    Zurückkehren!
    HIPPOLYTO:
    Dies Geräusch lässt mir mein schlagend Herz gefrieren.
    Herzogin, reicht mir kurz Eure Hand …
    Nein, kein Schlagen, kein Pochen Eures lüsternen Blutes. Die Viper ist tot.
    Und niemand kommt, Euch zu betrauern, auch wenn sie glauben,
    dass Euer Tod die Wirklichkeit und nicht ein Trick ist.
    Vittoria, habt Ihr Zeit zu trauern,
    nun da der gespielte Tod zur Wahrheit wurde?
    Der Hauch von Wärme, der noch bleibt in Eurer Hand,
    wird bald der Kälte weichen,
    und die Wange zu Marmor soll erstarren.
    Verfall wird über Eure trägen Glieder kriechen,
    bis schließlich das Fleisch von gelben Knochen fällt.
    Nur Euer Schädel wird noch knöchern grinsen.
    Wo ist da Euer Fürstentum? Wo Eure Macht?
    ECHO:
    Wo Eure Macht?
    HIPPOLYTO:
    Und das ist wahr.
    Sagt: Wo bin ich besser als sie?
    Mein Verderben steht nicht länger kurz bevor,
    sondern ist in weiter Feine.
    Doch der Tag wird kommen,
    der Tag, da ich bin wie sie.
    ECHO:
    Bin wie sie!
    HIPPOLYTO:
    Unfreundliches Echo, willst du mich tot sehen?
    Ich schließ die Gruft und höre das Geräusch nicht mehr.
    Lebt wohl, Herzogin.
    Unser Sieg ist nur von kurzer Dauer.
    In der Dunkelheit sind an Schatten wir gebunden.
    Alles in diesem kleinen Knochenkäfig,
    den wir unsren Schädel nennen, draußen nur die Ignoranz.
    Wir, die wir Wissen sammeln, Gold und Liebe …
    Wir gewinnen nur Verstand, um zu erkennen,
    dass blind durch diese Welt wir wandern.
    [Die sterbende HERZOGIN VITTORIA erwacht noch einmal, um sich eingesperrt in ihrem Grab wiederzufinden.]
    HERZOGIN:
    Ich glaubte, meinen Tod gespielt zu haben, und nun sterbe ich.
    Dies marmorne Grab soll mein letzter Thronsaal sein.
    O Erinnerungen, lasst mich euch heraufbeschwören!
    Denn Erinnerungen muss ich euch fortan nennen, nicht Hoffnungen wie einst.
    Auch Träume nicht, nicht stolzen Ehrgeiz,
    denn alle sind sie eingegangen.
    Als Gefangene liege ich in diesem Grab.
    In Träumen baue ich ein noch größres Mailand …
    eine Stadt, wo keine Frau mehr Angst haben muss;
    eine Stadt, wo kein Mann für Brot tötet,
    kein Räuber gedeiht und auch kein Mörder;
    eine Stadt, wo kein Dieb sich an den Armen gütlich tut.
    In unseren Kirchen würden Frau und Mann mit gleichen Rechten predigen.
    Ach! Genug davon.
    Und dann, Paulina.
    Philosophin jenseits allen weltlichen Wissens.
    Ihr, die Ihr in den Sternen lest …
    Warum habt Ihr das hier nicht gelesen?
    Ihr habt mir gesagt, ich müsse meinen Tod nicht fürchten! In all den Jahren, da wir miteinander lebten,
    habt Ihr nur in diesem einen Punkt versagt.
    Denn nun fürchte ich ihn, den Tod.
    Die Zeit vergeht langsam.
    In meinen Adern rinnt das Blut kaum noch.
    Zäh und kalt. Der Trank hat fast sein Werk vollbracht.
    Immer finstrer wird die Dunkelheit des Grabes.
    Meine Augen versagen.
    Oh, gib mir Licht, Licht, Licht!
    Ganz Mailand für das Licht der Sonne,
    meine Juwelen für einen Stern!
    Oder für den Mond, den unbeständgen Mond,
    würd' gar mein Fürstentum ich geben.
    Oh, gib mir Licht!
    In dieser Finsternis ist der Tod eine Qual!
    Gib mir die Sonne!
    Einst, in den Höhlen tief unter Mailand,
    feierten ich und mein Hof ein großes Fest,
    und plötzlich, als ich einen Schacht hinaufschaute,
    wurden meine Augen der Sterne gewahr.
    Sie strahlten bereits zu Mittag.
    Nun wünschte ich, dieser Mittag würde die Dunkelheit vertreiben,
    die Sonne zur Mitternacht scheinen
    und die Finsternis in meinem Geist erhellen.
    Gib mir Licht!
    Hilfe, so helft doch!
    O Tod und Dunkelheit, habt Mitleid mit mir.
    Ich ersticke …
    Dieser Tod ist bitter, doch bittrer noch
    ist der Verlust der großen Stadt und meiner Freunde.
    Die Viper windet sich in ihrem Grab aus Marmor,
    zeigt jedermann, dass ihr Ehrgeiz keine Früchte trägt.
    Ich betraure meinen Tod.
    Durch Verrat bin ich gefallen;
    doch mehr noch beklag' ich den Verlust von Mailand.
    [Am Hof der HERZOGIN, welcher vom PÄPSTLICHEN GESANDTEN übernommen worden ist, erscheint die Magierin PAULINA mit einer Statue der verstorbenen HERZOGIN VITTORIA VISCONTI.]
    PAULINA:
    Sehet das Bildnis

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