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1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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seid.«
    Obwohl sie bemerkenswerterweise die Fassung bewahrte, war ihr ihre Furcht deutlich anzumerken. Und sie tat Recht daran, sich zu ängstigen. Gewöhnlichen Frauen und Männern, die in die Affären von Königen verstrickt werden, ergeht es meist nicht gut.
    »Ihr würdet mir diesen Köder nicht anbieten, wenn es nicht etwas für mich zu tun gäbe.« Sie schaute mir besorgt in die Augen. »Was ist es?«
    Ich ließ sie los. Wie ich sah, hatte ich ihr einen blauen Fleck beschert; ihr empfindsames Fleisch verdunkelte sich nach nur wenigen Augenblicken. Ich berührte sie erneut, diesmal jedoch nur sanft.
    »Es tut mir Leid. Ich wollte Euch nicht verletzen.«
    Ihre Augen schimmerten von Tränen, und sie warf mir ein bezauberndes Lächeln zu.
    »Nein. Das wolltet Ihr wohl wirklich nicht. Verzeiht mir meine Eitelkeit, Monsieur. Ich bin es gewohnt, umworben zu werden. Es fällt mir schwer einzugestehen, dass ich allmählich über dieses Alter hinaus bin.«
    Ich ergriff ihre Hand und hauchte ihr einen Kuss auf die Finger. Sie trug keine Handschuhe und roch nach Rosen. Am ersten Gelenk des Zeigefingers hatte sie eine Schwiele: das unverkennbare Zeichen eines Schreibers.
    »Ihr werdet nie über dieses Alter hinaus sein«, sagte ich. »Was mich betrifft, so kann ich Euch nur die älteste Entschuldigung der Welt nennen: Es war schon vor Euch eine da.«
    »›Vor mir‹?« Ein Hauch von Belustigung huschte über ihr Gesicht. »Oh, Monsieur. Doch nicht die … Frau, die Ihr aus Frankreich mitgebracht habt, oder?«
    »Ich habe sie nicht mitgebracht!«
    »Das ist wahre Verzweiflung.« Ihre Belustigung wich einem verzeihenden Lächeln. »Dann muss ich mich also nicht um Rache sorgen, wie ich sehe. Monsieur … James lebt? Wirklich?«
    »So wahr ich hier stehe. Seit Wookey war ich bei jedem Schritt an seiner Seite.«
    Sie schaute über die Schulter zur Themse zurück. Nördlich von uns, am gegenüberliegenden Ufer, musste der Hof gerade von Whitehall nach Westminster ziehen. Ihr Gesicht drückte einen wehmütigen Abschied aus.
    »Was wollt Ihr, das ich tue?«
    »Ich benötige Eure Schreibkunst, Madame Aemilia. Poesie, wenn Ihr wünscht, aber lieber wäre mir eine simple Rede. Man hat mir erzählt, dass Eure große Elisabeth sich einst auf dem Feld von Tilbury an ihr Volk gewandt hat. Das ist es, was ich brauche. Ich brauche eine Rede für einen König, der zu seinen Untertanen zurückkehrt.«
    Der Wind ließ die Flagge über unseren Köpfen flattern. Der Nachmittag war ein wenig bewölkt, die Julisonne im Dunst nur schwer zu erkennen.
    »Ein perfekter Tag für Freilufttheater«, bemerkte Aemilia Lanier. Ich schaute zu ihr hinunter. »Perfekt … wenn da nicht die Pest wäre.«
    »Der Skandal wiegt schwerer als die Seuche, Monsieur, und die ersten Gerüchte sind bereits im Umlauf.« Ihr Gesicht nahm einen wehmütigen Ausdruck an. »Immerhin ist die Viper die letzten paar Tage aufgeführt worden. Schade, dass Ihr sie nie gesehen habt … Sollen wir anfangen? Ich habe Master Alleyne schon gesagt, was passieren wird.«
    Ich nickte. Dass Alleyne informiert war, hatte ich an seinem Stottern schon gemerkt. Er und seine Tugenden und Laster sahen hundeelend aus. Zerlumpt waren sie zu uns geschlichen und hatten James für ihre unwissentliche Beteiligung an dem mörderischen Maskenspiel um Gnade angefleht – eine Taktik, die bei James ihre Wirkung nicht verfehlt hatte.
    Nun stand James mitten unter ihnen, neben sich den Samurai. Saburo hatte eine Hand auf das Heft seiner Kattanklinge gelegt. Ich konnte ihm das nicht zum Vorwurf machen. Wer würde nicht den königlichen Leibwächter spielen, wenn er die Gelegenheit dazu bekam? Besonders, wenn sich dadurch die Handelsbedingungen für das eigene Land noch verbessern ließen. Dieser Hauptmann der Hashagar – oder wie auch immer es heißt – ist nicht dumm, dachte ich und freute mich für ihn.
    Edward Alleyne verbeugte sich immer wieder vor dem König. Ich löste mich von der Gruppe und fand mich neben einer kleineren Gestalt wieder, die mit vor der Brust verschränkten Armen an der Wand des Schauspielhauses lehnte wie ein Sinnbild der Melancholie.
    Nein, Melancholie vielleicht nicht ganz … dachte ich und schaute Mademoiselle Dariole verlegen in die Augen. Es wäre einfacher für mich, wenn sie mich beleidigen und mit mir schimpfen würde …
    »Sorgt Ihr Euch um den Ausgang des Ganzen hier?« Ich nickte in Richtung James Stuart. »Er ist ein ausgesprochen hoffnungsvoller Mensch, wie mir

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