1610 02 - Kinder des Hermes
sich höchstens an der Tat beteiligen wollen!«
Sie kniff die Augen zusammen, doch nicht mehr in Furcht. Ich spürte die Wärme ihres Atems selbst durch meinen Lederhandschuh hindurch. Madame Lanier trug roten Samt; Reifrock und Mieder waren deutlich kostspieliger als bei unserem letzten Treffen. Die Gerüchte, die ich in den Tavernen um das Theater gekauft hatte, bezeichneten sie noch immer als Fludds Schützling bei der Führung von ›The Rose‹.
Ich nahm die Hand wieder herunter, sodass sie sprechen konnte.
»Monsieur Rochefort«, sagte sie in bitterem Tonfall, »ich habe Master Fludd gesagt, dass Ihr von Wookey Hole entkommen würdet.«
»Dann seid Ihr also auch eine Wahrsagerin, hm?« Ich sprach mit der Höflichkeit eines Höflings, hielt sie aber weiter fest gepackt. Sie funkelte mich an.
»Das muss ich gar nicht sein. Ihr seid ein verschlagener und noch dazu ungewöhnlich kräftiger Mann, Monsieur Rochefort, und Ihr wisst Euch Eurer Haut zu wehren. Für mich war selbstverständlich, dass Ihr entkommen würdet.«
Ihre Sicherheit schmeichelte mir, auch wenn ich das unter den gegebenen Umständen fast ironisch fand.
»Wo ist Fludd?«, verlangte ich zu wissen.
Ich habe genug Erfahrung im Verhören von Männern und Frauen, als dass ich nahezu sicher war, dass sie die Wahrheit sprach, als sie sagte: »Ich weiß es nicht, in Whitehall vielleicht.«
Die Erinnerungen daran, wo und wie ich diese Erfahrungen gesammelt hatte, ließen mich zum ersten Mal seit Jahren Reue empfinden.
Ich lockerte meinen Griff um Madame Laniers Arm und blickte auf sie hinunter. »Wird er zu der Aufführung von der Viper und ihre Brut kommen?«
»Warum sollte er?« Sie klang gereizt. »Er hat genug damit zu tun, den jungen Heinrich zu krönen. Mein Stück ist wie Richard II., wo es darum geht, wie Lord Essex gegen den König rebelliert und ihn vom Thron gestürzt hat. Entweder wird das Stück ein Erfolg oder nicht. Aber wie auch immer, Master Fludd traut einer Frau durchaus zu, das auch unbeaufsichtigt zu schaffen.«
»Und wann will er Heinrich krönen?«
Sie schaute mich neugierig an. »Na, heute. Wie Master Fludd vorhergesagt hat.«
Ich blickte zur Sonne hinauf. Zu spät, um es noch zu verhindern. Später würden wir es vielleicht wieder rückgängig machen können, doch aufhalten konnten wir es nicht mehr, zumal die Abtei von Westminster vermutlich bis oben hin voll mit Heinrichs Bewaffneten war …
Die Frau rührte sich unbehaglich in meinem Griff. Das Leinen, das aus Aemilias Mieder ragte, war fein und schwarz bestickt. Ihr im Korsett gefangener Busen rührte mein Fleisch. Kurz empfand ich Wut ob dieses Anflugs von Untreue … Doch wie kann das sein, wenn doch beide Seiten nie ein Wort darüber verloren haben? »Aemilia, leidet Ihr unter der italienischen Krankheit?«, verlangte ich zu wissen.
Entsetzt starrte sie mich an. Dann überkam sie wilde Wut, und sie verzog das Gesicht. »Nein, das tue ich nicht! Außerdem nennen wir sie hier die ›französische Krankheit‹. Wollt Ihr mir etwa sagen, dass Ihr sie habt und ich mir nun einen Quacksalber suchen muss?«
Die Ironie ließ mich lächeln.
»Nein, Ihr seid sicher.« Irgendetwas an dieser Frau rührte mich. Ich habe sie nicht gut behandelt, dachte ich.
Es war wohl kaum ihr Fehler, dass sie in einer Zeit, da ich Mademoiselle Dariole brauchte, es mir aber nicht eingestehen wollte, nicht diese gewesen war.
»Ich entschuldige mich«, sagte ich.
Ihr Gesichtsausdruck wechselte von Misstrauen zu schmerzhafter Ehrlichkeit. »Eine Frau kann nicht machen, was sie will, ohne dass irgendjemand es in Frage stellen würde.« Sie seufzte. »Und? Was führt Euch nun nach London, Monsieur?«
Da mir nichts einfiel, wie ich mich angemessen hätte entschuldigen können, verlegte ich mich auf praktische Hilfe.
»Zunächst einmal will ich Euch warnen. Fludd ist gescheitert«, sagte ich. »Krönung hin oder her, es wird keinen Heinrich IX. geben. James I. lebt und will seinen Thron wiederhaben.«
Sie starrte mich mit großen Augen an. Ich hielt ihren Arm noch immer fest, doch sanft inzwischen, mehr um sie zu beruhigen.
»Madame, wenn es in meiner Macht steht, würde ich gerne verhindern, dass man Euch für Eure Rolle bei der Verschwörung hängt. Ich könnte mir vorstellen, dass den Richtern der Sternkammer nicht gefällt, was sie in der Viper lesen. Ich könnte dafür sorgen, dass man Euch nur ins Exil schickt oder Eure Taten gar vergisst, wenn Ihr James Stuart nun zu Diensten
Weitere Kostenlose Bücher