1610 02 - Kinder des Hermes
des Gefühls nicht erwehren, dass sich die Aufmerksamkeit der gesamten Welt auf unser Treiben hier oben richtete.
Und deshalb fiel mir sofort das einzige Gesicht in der Menge auf, das nicht auf die Bühne gerichtet war.
Ein junger Mann mit dem Schwung eines Fechters: Dariole. Sie stand am Haupttor, schaute von einer Seite zur anderen und suchte nach bekannten Gesichtern in der Menge. Sie suchte nach Fludd, John, Luke.
»Souveränes Volk von England!«, begann James Stuart. »Denn ›souverän‹ vermögen Wir Euch wahrlich zu nennen …«
Ein paar Männer pfiffen und buhten. James' Akzent war nicht sonderlich gut zu verstehen, und in einer Menge wie dieser gab es immer einige, die lieber eine Schlägerei als etwas anderes hatten.
Ich stöhnte innerlich. Hat er denn nichts in Somerset gelernt?
Saburo bewegte sich.
Bevor irgendjemand ihn davon abhalten konnte, riss er blitzartig sein krummes Schwert heraus und schlug damit durch die Luft, bis die Spitze auf dem Bühnenboden zum Stillstand kam. Mit beiden Händen hielt er das Heft gepackt. »Hört den großen daimyo an! Schweigt! Sofort!«
Das Entsetzen über den Klang seiner tiefen Stimme war so groß, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können.
James Stuart nickte. »Wir danken Unserem treuen Diener.«
Auf seine typische watschelnde Art ging er zum Bühnenrand.
»Wollt ihr hier stehen wie tote Hunde«, bellte James, »während ein Schwarzer Hexer England das Herz herausreißt?«
Die Aufmerksamkeit des Publikums gehörte ihm.
Ich sah Männer, die mit ihren Nachbarn gequatscht hatten und nun mitten im Satz innehielten. James Stuart verschränkte die Arme vor der Brust und starrte sein Volk an.
»Aye, ihr werdet gehört haben, dass Wir tot sind. Ihr werdet gehört haben, dass sich Unser Sohn in Westminster zum König krönen lassen will. Das ist Hexerei!«
Er brüllte voller Überzeugung.
»Ein paar von euch haben bis jetzt sicherlich geglaubt, dass es so etwas nicht gibt; aber es gibt Beweise dafür. John Dees Erbe ist unter euch. Es gibt einen Lord in England, der stark an Tugend sein sollte, doch er ist abgrundtief böse! Und ihr werdet seinen Namen schon gehört haben, jeder einzelne von euch: Henry Percy, Earl of Northumberland, Verräter und Diener des Teufels!«
Ein Raunen ging durch das Theater. Das ist Zustimmung, erkannte ich. Ja. Sie haben schon von dem Hexergrafen gehört.
Ich schaute zu James Stuart. Das Blatt mit Aemilias Rede hielt er zerknüllt in der Hand. Er dachte nicht mehr daran, irgendetwas abzulesen.
Und niemand weiß von Robert Fludd, und so wird es auch bleiben. Ja, das ist listig.
James schrie heiser: »Dieser Hexergraf ist ein bösartiges Tier, das versucht hat, euren König zu ermorden, den Sohn eures Königs getäuscht hat und England regieren will, um seine eigenen, teuflischen Ziele zu verfolgen! Wir müssen ihm ein Ende bereiten!«
Hat Aemilia Lanier das geschrieben? Ja, dachte ich, aber James hat seit seinem Aufbruch aus London nicht nur der Muse des Parnass seine Aufmerksamkeit geschenkt. Hexerei, Grafen, die schwarze Magie betreiben, ein Usurpator, der einfach schlecht beraten ist, ein Thron, den es wiederzugewinnen gilt … Wenn einem das kein Publikum verschafft …
Über die gesamte Zuschauerschaft hinweg gelang es mir, Augenkontakt mit Dariole herzustellen, und ich konnte nicht anders als lächeln. Hexerei und Thronraub waren nicht die einzigen Themen in unserem Leben, die sich für ein Theaterstück eigneten …
Als hätte sie meine Gedanken gelesen, schnaufte sie und schüttelte den Kopf.
James Stuarts Stimme hallte in dem Theater wider. »Dieser üble Mann, Henry Percy, missbraucht den Namen Gottes bei seinen Taten! Seine Macht stammt nicht von Gott, sondern vom Teufel, und der Beweis dafür ist dies: Schamlos hat er die Gutmütigkeit Unseres Sohnes ausgenutzt, des Prinzen, den ihr liebt. Dieser Mann hält ihn mit Zaubern gefangen, sodass er das Gesicht seines eigenen Vaters nicht mehr erkennt und ihn für tot hält!«
Ich sah Schweiß auf des Königs Stirn. Kurz schaute er mit wässrigen Augen zu mir. Er macht das sehr klug, wie er die Liehe seines Volkes zu einem tapferen, jungen Mann ausnutzt.
»Es ist dieser Henry Percy, Earl of Northumberland, der sich Unseren armen Jungen mit Hexerei und Betrug unterwerfen will – Methoden, wie sie einst Doktor Dee unter Elisabeths Herrschaft betrieben hat. Frech missbraucht der Graf Unseren Heinrich, euren Prinzen. Er ist es, der diesen Unsinn hat
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