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1610 02 - Kinder des Hermes

1610 02 - Kinder des Hermes

Titel: 1610 02 - Kinder des Hermes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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scheint.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Jetzt habt Ihr ja diese Hure Lanier, um den Text für ihn zu schreiben.«
    »Ihr mögt Madame Lanier nicht?«
    Erneut zuckte die junge Frau mit den Schultern. »Ich mag ihre Stücke nicht.«
    Dass die beiden Frauen vollkommen gegensätzlich waren, war leicht zu sehen: Arcadie de Montargis de la Roncière war noch nicht ganz siebzehn, Aemilia Lanier schon jenseits der fünfundvierzig; die ältere Frau war sinnlich, die jüngere irgendetwas zwischen Frau und Junge.
    Da Dariole alle Vorteile auf ihrer Seite hatte, überraschte es mich, dass sie eine derartige Abneigung für Aemilia Lanier empfand.
    »Sie spricht Latein und Griechisch.« Die junge Frau klang so bitter und komisch zugleich, dass ich mir nur mit Mühe ein Lächeln verkneifen konnte.
    »Ich erkenne Griechisch noch nicht einmal«, fügte Dariole hinzu.
    »Vielleicht ist das Studieren charakteristisch für englische Frauen. Saburo hat mir erzählt, dass seine Lady Arbella sechs Sprachen beherrscht, und wenn ich mich recht entsinne, war es mit Königin Elisabeth genauso.«
    Dariole murmelte irgendetwas vor sich hin, doch selbst mit meinem guten Gehör vermochte ich dem keinen Sinn zu entnehmen. »Ich bitte Euch um Verzeihung, Mademoiselle, aber …?«
    Plötzlich erschien ein breites Lächeln auf ihrem Gesicht, so strahlend, dass ich blinzelte, mich davon anstecken ließ und ebenfalls lächelte.
    »Ja, das tut ihr«, bemerkte sie fröhlich. »Das ist immer so …«
    Ich konnte nicht wütend auf sie sein, wie ich feststellte. »Ist mir gestattet zu erfahren, worauf Ihr Euch bezieht, Mademoiselle, oder muss ich unwissend sterben?«
    »Unwissenheit, Messire.« Sie grinste wie früher. »Warum etwas ändern, worin Ihr gut seid?«
    Mir lag eine Menge auf den Lippen. Ich atmete tief durch … und Aemilia Lanier näherte sich uns und winkte mir. »Rochefort! Der König will Euch sehen. Ihr sollt ihm bei den Vorbereitungen helfen, sagt er.«
    Aemilia drehte sich weder um. Dariole stieß sich von der Wand ab. Ohne mich anzuschauen, ging sie über die Bühne und sprang in die leere Zuschauergrube. Rasch ging sie zu den noch nicht geöffneten Toren.
    Von draußen hörte ich den Lärm der sich versammelnden Menge.
    In dem kleinen Raum, den man für James Stuart vorbereitet hatte, wurde der König angekleidet – allerdings nicht in ein Schauspielerkostüm. Stattdessen legte man ihm ein besseres Wams an als sein inzwischen doch arg mitgenommene Satinwams.
    Das ist von Alleyne!, erkannte ich. Sowohl das laubgrüne englische Samtwams als auch die Pluderhose stammten von dem alten Engländer. Wer hätte gedacht, dass der Theaterdirektor und der König die gleiche Statur besaßen?
    Ich schob all meine anderen Sorgen beiseite, scheuchte die Garderobieren hinaus und sank vor dem König auf die Knie, um ihm persönlich die Knöpfe zu schließen. »Die Schlange draußen geht über drei Straßen, Sire. Wie es aussieht, werdet Ihr ein großes Publikum haben.«
    James strich sich über seinen frisch gestutzten Bart und bemühte sich, Selbstvertrauen auszustrahlen. Es ist jedoch schwer, etwas vor seinem Leibdiener zu verbergen. Deutlich sah ich das leichte Zittern seiner Hand.
    »Haltet Ihr Uns für einen Narren, Mann?«, knurrte James Stuart. »Am Hof … Am Hof haben all diese Lackaffen und Schmeichler schon applaudiert, wenn Wir ihnen ins Gesicht gefurzt haben! Das hier ist jedoch ein anderer Haufen.«
    Von draußen hallten laute Stimmen zu uns herein: Die Tore des Schauspielhauses öffneten sich, und die Menge strömte hinein.
    »Wagt ja nicht zu grinsen, Franzmann. Wir denken darüber nach, Euch als Clio auf die Bühne zu schicken, um Uns einzuführen!«
    Sein Scherz hatte nichts Bösartiges an sich. Ich schloss die letzten Knöpfe und verneigte mich vor ihm. »In der Tat. Nach mir würde jedermann wie Richard Burbage wirken.«
    James lachte laut auf.
    »Hier werdet Ihr Euer Königreich zurückgewinnen, Sire.« Ich schnallte ihm Schwert und Dolch um – ein geborgtes englisches Breitschwert –, was ihm helfen sollte, sein Unbehagen ob dieser für einen König ungewöhnlichen Kleidung zu überwinden. Dann stand ich auf. »Und hier wird die Gerechtigkeit für Northumberland und Fludd ihren Lauf nehmen.«
    »Aye«, erwiderte James Stuart trocken. »Das heißt, falls ich nicht von Untertanen, die mir ihren stinkenden Atem ins Gesicht blasen, von der Bühne gejagt werde. Es ist durchaus möglich, dass Gott seinen König kraft seiner

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