1610 02 - Kinder des Hermes
die hier wuchert.
Mit Feuer soll sie ausgetrieben werden …
HERZOGIN:
Bringt mir diese Plage zum Schweigen, Master Hippolyto. Es ist mein Wille.
HIPPOLYTO:
Madame, ich gehorche.
GESANDTER:
Lasst mich los, Ihr gottloser Hund!
Eure Seele soll im Höllenfeuer schmoren,
und auch Euren Leib will ich verbrennen.
HIPPOLYTO:
Sir, Ihr ermüdet mich. Wollt Ihr getötet werden?
Mein Stahl hat schon weit bessere Männer ihres Lebens beraubt.
Spürt ihn an Eurer Kehle, und schweigt,
wenn Ihr nicht wollt, dass Euer Herz zu schlagen aufhört.
GESANDTER:
Ihr wagt es nicht, des Papstes Gesandten so zu behandeln!
Roms Kardinäle werden davon hören!
HIPPOLYTO:
Vielleicht, aber nicht von Euch.
Ihr habt keine Stimme mehr. Ich nehme sie Euch – so.
[Sticht ihn nieder.]
GESANDTER:
Ketzer! Oh …!
[stirbt]
HERZOGIN:
Kühn gehandelt, doch mein Beifall ist Euch sicher, Sir.
Dieser Schurke hat solch Übel über meinen Staat gebracht,
dass ich ihn zum Henkersblock hätt' schicken müssen,
wäre er denn vor Gericht gekommen.
Verbergt den Leichnam.
PAULINA:
Nun müssen wir unsere Gedanken auf den zorn'gen Mars richten, denn Krieg bedeutet diese rote Tat.
Ich fürchte, Mailand droht der Untergang,
es sei denn, es gelänge uns, die Welt davon zu überzeugen, dass Ihr nicht tot und wahrhaft auferstanden seid.
Man soll Euch nicht für einen Schwindler halten.
HERZOGIN:
Ach, Paulina, nein.
Ich hatte einen Traum:
Ihr habt ihn mir in den Kopf gepflanzt, in meinen dummen Kopf.
Im Traume hab' ich eine schöne, freie Stadt gesehen,
und ich glaubte, sie hier zu finden.
Doch gestorben sind alle Träume in diesem düstren Grab, und nun weiß ich, dass der Fürsten Weg nicht zu diesem Ziele führt.
PAULINA:
Ich verstehe Euch nicht.
HIPPOLYTO:
Ich begreife es jedoch.
Was auch immer wir nun tun,
Mailand ist dem Untergang geweiht.
Rom kann uns nicht stehen lassen.
Sollen sie den größten Ketzer seit Manfreda nicht verbrennen?
Nur eines sehe ich noch nicht:
Wie sollen wir dieser Gefahr mit unsrem Leben entrinnen?
HERZOGIN:
Wir wachsen nicht nur, indem wir groß werden.
Ihr hättet unsere Stadt erhoben, Paulina,
als Banner, Standarte dieser Welt.
Das große Mailand! Heim des neuen Schismas.
Hättet wir dann unsren eignen Papst gehabt?
Unsre Inquisition? Ein Spiegelbild der ihren?
So beschwört man nur den eignen Untergang.
PAULINA:
Ihr wollt doch jetzt nicht Euer Ziel aus den Augen verlieren!
HIPPOLYTO:
Ich glaube, ich erkenne ihren großen Plan.
Fürstin, darf ich sprechen?
Verdammt mich, sollte ich mich irren.
HERZOGIN:
Mein schlauer Unzufriedener, was ist mein Plan?
HIPPOLYTO:
Einst haben wir miteinander gesprochen, o Fürstin,
vor dem Grabe Manfredas, die schon vor langer Zeit gestorben ist, und Ihr habt mir gesagt, dass sie ersonnen hätte, sich kühn als Ziel für jedermann zu zeigen.
Da vermag es nicht zu überraschen, wenn von tausend Narren einer siegt.
Ihr Irrtum war jedoch zu denken, dass Größe
sich aus Staub erheben muss.
Es sei besser, habt Ihr gesagt, vorsichtig durch die Schatten zu gehen und mit leiser Stimmen zu sprechen.
So habt Ihr überlebt und Eure Botschaft weit verbreitet.
HERZOGIN:
Seht Ihr die einfachen Blumen auf dem Felde?
Sie verbreiten sich nicht, indem sie groß wie Eichen werden.
Aber sie geben dem Wind tausend Samenkörner mit auf die Reise, auf dass er sie dorthin tragen möge, wo auch immer er sie hinbringen will.
Oder um es finstrer auszudrücken:
Sehet, wie die Pest von einem Kontinent zum andren wandert.
Wir müssen Samen sein, Staubflocken und Sporen.
Aye, und wir müssen Ratten sein, uns durchzubeißen,
tief zu graben.
Nach langen, langen Jahren bringen wir so das Haus zum Einsturz.
PAULINA:
Nun ist die Bedeutung Eurer Worte dargelegt.
Ihr könnt der Fürsten Weg doch nicht verlassen wollen!
HIPPOLYTO:
Große Astrologin, Ihr solltet weiser sein!
Die Herzogin meint, dass wir aus Mailand fliehen müssen.
HERZOGIN:
Das ist keine Niederlage … und auch kein Sieg für sie.
[Hier endet das Manuskript unvermittelt.]
Rochefort: Memoiren
Dreiunddreißig
Ich trat aus der Tür in Southwark, packte Aemilia Lanier am Oberarm, zerrte sie auf die Straße hinaus, die zum Theater führte und warf sie mit dem Rücken gegen die Wand.
»Hilfe … Monsieur!«
Ich legte ihr die Hand auf den Mund. »Das ist die Bankside, Madame Lanier. Wenn Ihr hier um Hilfe schreit, als ob ich Euch ausrauben oder angreifen wolle, werden potentielle ›Helfer‹
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