1610 03 - Soehne der Zeit
König-Kaiser hervorragend verteidigt wurde, konnte dieser Tag keinen anderen Ausgang nehmen.
Ich fragte Furada, was er wollte.
Er bot mir an, sich in den Dienst des ›Königs von Japan‹ zu stellen.
Offensichtlich waren seine Berechnungen und die der yamabushi Kata-rii-na im Gleichklang gelaufen … wie zwei Ochsen im Joch.
»Ich kann Eurem Land von großem Nutzen sein«, sagte Furada, »und Euer Land wird eine Zuflucht für mich sein. Ich suche Sicherheit, und dafür biete ich Euch die Zukunft. Kommt, wollt Ihr keinen Handel mit mir schließen? Natürlich könnte ich auch auf einem holländischen oder jesuitischen Schiff nach Japan fahren, doch Ihr seid ein Mann aus dem Volk dieses Shoguns, und Ihr könntet mich auf eine Art an seinem Hof einführen, wie es weder einem Kauffahrer noch einem Priester möglich wäre.«
Deshalb, verehrter Herr, habe ich am heutigen Tag eine Passage für Furada-san und Euren ergebenen Samurai auf einem gaijin- Schiff nach Portingale gebucht, wohlwissend, dass wir in deren großem Hafen, Lisbon, ein Schiff finden werden, das uns nach Nihon bringen kann. Ich weiß nicht, wie lange die Reise dauern wird und ob meine Botschaft schneller sein wird als ich. Ich vertraue jedoch auf das Schicksal, dass meine Worte Euch erreichen werden.
Und wieder habe ich damit einen gaijin hintergangen und noch dazu einen Freund: Dari-oru-sama, die Furada Rache geschworen hat.
Ihre Sache ist gerecht und ehrenhaft, und jeder Freund würde ihr freudig mit dem Schwert zur Seite stehen. Ich verdanke ihr mein Leben. Und doch würde ich mein Land und meinen Shogun verraten, sollte ich ihr gestatten, Furada zu töten.
Nicht umsonst bedeutet giri auch ›Last‹.
Ich bringe Euch Furada und die Zukunft, Herr.
Und ich bete, dass uns dies auf die eine Straße führen wird, von der Kata-rii-na gesprochen hat, und auf der wir den ›Feuerregen‹ in der Zukunft vermeiden können. Kata-rii-na kann ich Euch nicht bringen. Daher muss Furada als Ersatz herhalten, so wenig vertrauenswürdig er auch sein mag, bis unsere weisen Männer die Geheimnisse seiner Berechnungen entschlüsselt haben.
Mein Herr, ich weiß, dass Ihr Euch in der Vergangenheit gegen die Schließung unserer Grenzen und die Ausweisung aller Fremden gesträubt habt. Dies hat zu Spannungen zwischen Euch und Eurem verehrten Vater geführt, denn der große Ieyasu wünscht unser Land rein zu sehen, frei vom Einfluss der gaijin.
Aus genau diesem Grunde wagt dieser ergebene Samurai, sich direkt an seinen Shogun zu wenden. Wenn Ihr hört, was Furada zu sagen hat, mein Herr, werdet Ihr umso mehr davon überzeugt sein, dass wir uns nicht von der Welt trennen dürfen – dass wir eine andere Antwort finden müssen, welche uns unser Reich geben, aber gleichzeitig das Feuer vom Himmel vermeiden wird.
[Die letzten Zeilen des Dokumentes sind unleserlich. Vermutlich handelt es sich dabei aber um die Unterschrift.]
Rochefort: Memoiren
Vierzig
Es gibt Menschen in den Niederlanden, in jenen egalitären Sekten, mit denen Amsterdam geradezu überwuchert ist, die niemals knien, außer vor ihrem Gott in der Kirche und vor ihren Huren beim Beischlaf. Nach meiner Erfahrung haben sie offensichtlich vergessen, was es bedeutet, unterwürfig vor einem Höhergestellten zu knien und somit die gesellschaftliche Ordnung anzuerkennen. Konsequenterweise betrachten sie deshalb jedwede demütige Geste außerhalb der Kirche als erotisch, und dadurch verlieren sie die Komplexität des Ganzen aus dem Auge.
Am Dock von Nagasaki fand ich mich von einem ganzen Land voller Menschen umgeben, die sich nichts dabei denken, sich mit dem Gesicht in den Staub zu werfen, wann immer sie einem Mann von höherem Rang begegnen.
So geschah es auch überall um mich herum, als Gabriel Santon und ich uns flink durch die Menge in Richtung eines gerade vor Anker gegangenen europäischen Schiffes drängten, vorbei an Samurai-Fürsten und ihren Dienern.
Kurz stellte ich mir vor, wie es wohl am Hof Heinrichs von Navarra ausgesehen hätte, wäre jedermann zu einem solchen ›Kotau‹ vor dem König verpflichtet gewesen oder gar vor jedem Edelmann, der auch nur ein Stück über ihm stand. Sogar Monsieur le Duc de Sully: Kopf unten und den Arsch in der Luft vor seinem edlen Herrscher! Sullys steife Würde hätte die Erfahrung wohl überlebt, zumal niemand es gewagt hätte zu lachen.
Aber nicht die Würde von Monsieur Rochefort, erkannte ich und dachte wieder einmal, wie schon unzählige Male zuvor, an
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