1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist
Königs, doch die Wachen haben ihn vertrieben. Ich habe ihn für einen harmlosen Irren gehalten, dessen Verschwörungsversuche keine Aussicht auf Erfolg haben.«
Das konnte ich wirklich mit Überzeugung behaupten. Die Schwierigkeit war nur, Bitterkeit und Ironie aus meiner Stimme herauszuhalten.
»Mylord, es ist nun mehr als vierzehn Tage her, seit der König ermordet worden ist, und ich bin von Paris abgeschnitten. Ich weiß weder, was seitdem geschehen ist, noch ob ich Messire de Sully mit meiner Rückkehr in Gefahr bringen würde.«
Cecil blickte auf die Papiere auf seinem Schoß. Der Wind ließ die Ecken flattern. Am anderen Ende der Barke sah ich Saburo auf schmerzhaft wirkende Art auf seinen Beinen sitzen und mit dem Sekretär reden, der fleißig mitschrieb. Plötzlich hallte Hämmern über das Wasser; offenbar benötigte die königliche Barke für diese Testfahrt die ein oder andere Reparatur.
Der englische Minister hob die Hand. Fast sofort eilte ein Vorarbeiter mit Lederschürze herbei und scheuchte seine Männer in einen anderen Teil der Barke.
»Ihr seid eindeutig ein Zeuge«, erklärte Cecil, »auch wenn Master Ravaillac nicht mehr lebt, um Eure Aussage zu bestätigen. Nun denn. Was würdet Ihr sagen, wenn ich Monsieur Herault mit einer bewaffneten Eskorte nach Frankreich zurückbringen würde?«
»Die Gefahr bestand immer, wenn ich mich mit Euch treffen würde, Mylord.«
»Ihr habt keinerlei Vorsichtsmaßnahmen getroffen?«
Ich gestattete mir ein wenig Schroffheit in meinem Ton. »Was für Vorsichtsmaßnahmen kann man denn gegen Lord Cecil ergreifen? Gegen einen Mann, der in diesem Königreich tut, was ihm gefällt?«
»Haltet Ihr mich für einen Tyrannen?«, erwiderte er sofort.
Dass er sich auf diese Diskussion einließ, kam mir gelegen. Ich blickte ein wenig verloren drein, was einem großen Mann immer gut ansteht, wenn er es mit einem kleineren zu tun hat, um diesen glauben zu lassen, er sei im Vorteil.
»Mylord Minister, es wäre kein Akt der Tyrannei, sondern der Gerichtsbarkeit, wenn Ihr mich für einen Verbrecher halten würdet. Das bin ich nicht, doch außer meinem Wort habe ich nichts, was das beweisen könnte.«
Die Sonne schien mir immer unangenehmer ins Gesicht, je höher sie stieg, und ließ mich die Augen zusammenkneifen.
»Hier in London war es nur eine Frage der Zeit, bis Ihr meinen Namen hört. Mylord, Ihr glaubt vielleicht, dass die Königin und das Parlament ein Anrecht auf meine Gegenwart haben, und dementsprechend würdet Ihr mich auch ohne weitere Befragung zurück nach Frankreich schicken. Da ich jedoch nicht weiß, ob ich sicher wieder zurückgehen kann, habe ich mich als erstes an Euch gewandt in der Hoffnung, dass ich Euch genauso zu Diensten sein könnte wie vorher Messire de Sully.«
Ich erinnerte mich daran, dass Minister Cecil mit einem für Engländer außergewöhnlich scharfen politischen Verstand gesegnet war und loyal die Politik seines Königs in Bezug auf Frankreich verfolgte. Da Frankreich und Spanien jedoch einen Tanz in der englischen Politik aufführten und niemand zu sagen vermochte, wer von einer Woche auf die andere die Oberhand behielt, hatte ich es für richtig gehalten, Cecil als Mann etwas anzubieten und nicht als Politiker.
»Die Dienste eines Agenten von Monsieur Rosny …«, sagte Cecil.
Der Agent Eures Rivalen. Ich behielt einen ernsten Gesichtsausdruck bei. Wer kommt da mit dem Hut in der Hand und bittet um Eure Gunst? WarCecil immun dagegen? Sechs Jahre zuvor war ihm diese Rivalität jedenfalls nicht gleichgültig gewesen.
Das war die Karte, auf die ich nun alles setzte. Seit Monsieur Saburos Nachricht hatte ich es in schlaflosen Stunden durchgespielt, und ich bemühte mich nun, eine Haltung zu bewahren, von der ich hoffte, dass sie nur Aufmerksamkeit und nicht Verzweiflung ausstrahlte.
Der Blick des obersten Ministers wanderte zu Saburo, der mit einem der Sekretäre auf dem Deck saß. Die Feder des Sekretärs flog förmlich über das Papier in dem Versuch, mit der schnellen Rede des Nihonesen mitzuhalten. Ich sah, wie Saburo innehielt und an einem feinen Glaspokal schnüffelte. Monsieur Gesandtem hatte man eine Erfrischung angeboten, Monsieur Spion nicht.
Cecil sagte: »Der Gesandte hat nichts von Euch erzählt, bevor Ihr am Strand gegen Banditen gekämpft habt. Kann man davon ausgehen, dass jemand etwas dagegen gehabt hat, dass Ihr Frankreich verlassen habt? Und kann man ebenfalls davon ausgehen, Monsieur, dass es mehr der
Weitere Kostenlose Bücher