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1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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fand.
    »Gleichungen«, vermutete ich mit einem leicht ironischen Unterton. »Mathematik.«
    »Es war schwer, als ich zuerst hierher gekommen bin.« Sie stand neben mir. »Später ist es mir gelungen, Papier und Tinte aus der Mühle zu stehlen.«
    Spöttisch hob ich die Augenbrauen. »Hast du keine Angst, deine Voraussagen einfach so hier zu lassen, wo zukünftige Generationen sie entdecken können?«
    »Der Fluss wird anschwellen, bevor man sie verstehen kann, und all diese Höhlen werden untergehen.«
    Die Vorstellung, dass diese Höhle und die anderen bis zur Decke mit Wasser gefüllt werden könnten, beunruhigte mich ein wenig. Die alte Frau ging zum dunklen Ende der Höhle. Ich folgte ihr vorbei an den Schriften an der Wand und war mir nicht sicher, was ich vor ihr in der Ecke sah.
    Papier.
    Ich streckte die Hand nach einem Stapel aus und fand, dass er sich ein wenig feucht und sandig anfühlte. Im Licht der Laterne sah ich, dass die Tinte nicht verlaufen, sondern nur leicht in das Papier eingesickert war. Alles – ich blickte auf Stapel über Stapel, höher als die Frau und bis zum Ende der Höhle aufgetürmt – war voller seltsamer Zeichen, Buchstaben, Gleichungen und Diagramme.
    »Hier bist du.« Sie hielt mir ein unauffälliges Stück Papier entgegen. »Ich verwende Nolans Methode, wie du sehen wirst. Und das da ist mein eigener Beweis für die Gleichungen Brunos. Ich warte nun schon seit zehn Jahren auf dich und länger.«
    »Aber natürlich.« Ich nickte instinktiv und seufzte. Sicher, in der Ecke fand sich eine Liegestatt mit Decken, die immer und immer wieder geflickt worden waren, aber ob sie nun zehn Jahre oder wenige Nächte darauf geschlafen hatte, war nicht ersichtlich. Vielleicht war die Ecke sogar erst heute Morgen so ausstaffiert worden.
    Ich stellte die Laterne ab und packte die alte Frau unterm Kinn, Finger und Daumen zu beiden Seiten der Kehle. Sie kratzte über meinen Handschuh. Ich hob sie auf die Zehen hoch und das kraftvoll genug, dass ihre verbliebenen Zähne aufeinander schlugen.
    Aus solcher Nähe stank sie abartig. Ich schaute in ihre weiß umrandeten Augen. »Ich muss nur meine Hand schließen, und du hörst auf zu atmen. Ich nehme jedoch an, dass du leben willst. Das wollen die meisten Menschen. Sag mir, wer du bist, warum du hier bist, und wer dir meinen Namen verraten hat.«
    Ihr Blick strahlte förmlich vor Wärme. Mut und Gelassenheit sind aus solcher Nähe schwer vorzutäuschen. Ihr Puls fühlte sich unter meiner Hand ein wenig schnell an, aber nicht schneller, als man mit Erschöpfung hätte erklären können.
    »Wer bist du?«, verlangte ich zu wissen.
    »Suor Caterina, geborene Elena Zorzi aus dem Véneto. Ich bin nicht weit entfernt von Padua zur Welt gekommen, aber den größten Teil meines Lebens habe ich in Venedig verbracht.«
    Ich hatte nicht erwartet, dass sie mir so schnell antworten würde. » Was bist du?«
    »Ich bin eine Schwester vom Orden der Karmeliterinnen.« Falten zogen sich um ihren Mund zusammen, wenn sie die Lippen schürzte. »Ich will dich nicht anlügen, Valentin. Die Karmeliterinnen haben mich ausgeschlossen. Aber ich betrachte mich noch immer als Braut Christi.«
    Die Würde in ihren Worten passte nicht zu ihren stinkenden Kleidern, ihrem halbnackten Auftreten und ihrem verfilzten Haar. Ich verstärkte meinen Griff noch ein wenig und zog sie ein weiteres Stück in die Höhe.
    »Wer hat dich hergeschickt? Wer hat dir von mir erzählt?«
    Tränen wie feuchte Schneckenspuren umrahmten ihre Augen. Sie klang atemlos – was auch nicht verwunderlich war mit meiner Hand um ihren Hals.
    »Niemand hat mich geschickt, es sei denn, du sprichst von Gott. Es ist schon lange her! Ich habe diesen Ort gefunden und gewartet. Es ist alles wahr, denn du bist hier!«
    Sie schaute mich mit Augen an, die – das schwöre ich – im Laternenlicht glühten. Ich bemerkte, dass ich meinen Griff gelockert hatte, und die alte Frau fand wieder Halt auf dem sandigen Untergrund.
    »Valentin Rochefort!« Sie musterte mich auf eine Art von Kopf bis Fuß, die mich seltsam verunsicherte. »Ich habe nicht gewusst, dass du so groß sein würdest – oder so stark. Dass du ein fähiger Fechter bist, habe ich jedoch vermutet. Ich habe errechnet, dass du ein Soldat sein würdest – das steht alles auf den Seiten da drüben. Ostrega ! Und ein tapferer und kluger Mann. Du bist nicht vor der Hexe weggelaufen; du hast sie gesucht. Es ist so eine Freude, und ich bin so erleichtert,

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