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1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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und … bitte, verzeih … das ist ein Wunder!«
    Einen Augenblick lang sah ihr uraltes Gesicht wie das eines Kindes aus; eines kleinen Kindes, dem man ein Geschenk zum Namenstag gegeben hatte.
    »Ich bin es nicht gewohnt, auf diese Art gemustert zu werden«, bemerkte ich und war kurz ein wenig unentschlossen. »Warum scheint mich jeder Mann – und inzwischen jede Frau! – für irgendeinen Schurken oder Helden zu halten, den das Schicksal ihm gebracht hat?«
    Sie lächelte mich fröhlich an. »Aber nein! Da ist nichts Besonderes an dir, Valentin. Du bist ein ganz gewöhnlicher Mann. Du bist nur zu einer entscheidenden Zeit an einem nützlichen Ort. Das macht dich zu einem Wunder!«
    Ich muss gestehen, dass mich das ein wenig ernüchterte.
    »Das Schicksal hat mich also nicht auserwählt?«
    »Nun, du bist jedenfalls nicht die zweite Jungfrau Frankreichs.« Sie musste sich sichtlich beherrschen, nicht zu lachen. »Ich glaube nicht, dass du eine prachtvolle Maid in Rüstung abgeben würdest, Valentin.«
    »Das stimmt vermutlich …« Ich steckte das Schwert nicht weg. Mit der anderen Hand holte ich ein sauberes Taschentuch aus meiner Hosentasche und hielt es der alten Frau hin. Nach kurzem Zögern nahm sie es mit zitternder Hand entgegen.
    Sie wischte sich nicht das Gesicht ab. Stattdessen faltete sie das Leinen rasch und setzte es sich auf den Kopf, band die Enden unter dem Kinn zusammen und bedeckte so ihr Haar.
    »Setzt Euch, Madame«, forderte ich sie förmlich auf.
    »Ich bin es gewöhnt, Suor Caterina genannt zu werden, Schwester Caterina.« Sie ließ sich auf den Höhlenboden sinken, machte es sich auf dem sandigen Untergrund bequem und sammelte ihre vielen Röcke um sich, sodass ich ihre nackten Füße nicht mehr sehen konnte. Ihre Brust hob und senkte sich rasch. Ich fragte mich, ob sie vielleicht einem Anfall nahe war und sterben würde. Plötzlich legte sie die Hände aufs Gesicht, nahm sie wieder herunter und hatte einen ungewöhnlich sturen Ausdruck aufgesetzt.
    »Das«, ich deutete auf die Papierstapel, »ist alles Müll, Schwester.«
    »Ich habe geahnt, dass es nicht leicht sein würde, und ich habe Recht behalten.« Sie sprach, als hätte ich überhaupt nichts gesagt. »Ich habe Recht. Das war der Test … Wenn Ihr nicht gekommen wärt«, auch sie wurde wieder förmlich, »wenn Ihr nicht Valentin Raoul Rochefort wärt und ein Mann, der lästige alte Frauen töten würde … Ich konnte es nicht wissen. Dank meiner Berechnungen habe ich Euch als ›Soldaten‹, ›Meuchelmörder‹ und ›Spion‹ gesehen. Was Euer Verhalten betrifft, so scheint es mir zunächst wahrscheinlicher zu sein, es mit einem ordinären Mörder zu tun zu haben und nicht mit einem Ehrenmann.«
    Bei dem Wort ›Ehrenmann‹ trat ich unruhig von einem Fuß auf den anderen. »Wollt Ihr damit etwa einen Fehler bei Euren Voraussagen eingestehen? Ihr wisst, dass ich getötet habe, aber nicht, ob ich ein Mann von Ehre bin?«
    »Ich berechne die Taten eines Menschen«, sie wischte sich mit den alten Fingern übers Gesicht, »nicht seine Gedanken, wenn er sie tut. In der Nolanformel findet sich nichts, was das Herz eines Mannes enthüllen könnte.«
    Ich rührte mich nicht, während sich in meinem Hinterkopf die Gedanken überschlugen. »Ich bin weniger auf Ehre bedacht, als Ihr glaubt …«
    Ich überprüfte die Laterne. Wir hatten noch Licht für eine halbe Stunde. Sollte ich wieder zur Mühle zurückkehren? Geschah dort etwas, wovon mich das hier nur hatte ablenken sollen?
    Nur würde sich jede Bedrohung hier zunächst einmal gegen Fludds Leute und nicht gegen mich richten. Und sollte seine Verschwörung auseinander fallen, täte mir das auch nicht weh.
    Die alte Frau lächelte. Es kam mir seltsam vor, dass mich eine alte Nonne, die ich gerade misshandelt hatte, derart liebevoll und heiter anschaute.
    »Ich arbeite mit denselben Formeln wie der Londoner Meister Roberto«, sagte sie. »Wir sind beide Studenten Nolans. Ich verberge nichts vor Euch, Valentin.«
    Sie sprach recht passables Französisch mit venezianischem Akzent, aber sie hätte genauso gut Monsieur Saburos Nihonesisch sprechen können.
    »Wenn Ihr von diesem ›Londoner Meister‹ sprecht, meint Ihr Robert Fludd.«
    »Ja.«
    »Und dieser ›Nolan‹?«
    »Magister Giordano Bruno, der Neapolitaner. Er ist nun schon seit zehn Jahren tot.«
    Der Name erinnerte mich an nichts. »Was habt Ihr bei ihm studiert?«
    »Häresie.« Ein überraschend süßes Lächeln erschien

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