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1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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gelesen, bevor es gestern nach London gebracht wurde. Nur weil ich weiß, wie man Brunos Formel anwendet, werde ich doch keine weltliche Quelle vernachlässigen.«
    »Wie praktisch«, bemerkte ich, und meine Stimme klang vermutlich ein wenig zu sarkastisch.
    »Das über Gabriel Santon habe ich allerdings nicht aus einem Pamphlet erfahren. Cielo , Valentin. Meinen Berechnungen zufolge ist er ein echter Soldat und wird das Gefängnis überleben.«
    Gabriel im Chatelet? Die Vorstellung hatte einen bitteren Nachgeschmack. Es war nur eine Frage der Zeit, bevor sie ihn der Folter überantworteten.
    Und wenn Messire de Sully schon keinen Gefolgsmann aus dem Gefängnis befreien kann, dann hat seine Macht wirklich stark abgenommen …
    »Gabriel Santon liegt vermutlich tot in einem Straßengraben des Faubourg«, sagte ich in harschem Ton. »Ich kann nichts davon überprüfen, Suor Caterina. Ihr wisst das.«
    Sie tastete nach ihrem Rosenkranz. Das Laternenlicht bewegte sich mit dem Luftzug in der Höhle. Schatten huschten über ihr Gesicht.
    »Es ist, wie es ist«, sagte sie. »Aber selbst, dass ich Euch hier getroffen habe, Valentin, und mit dem Wissen, das ich dadurch gewonnen habe, werden meine weiteren Berechnungen immer schwerer … Ich glaube, dass der Akt des Rechnens an sich die Zukunft schon unsicher macht.«
    Sie schaute mich mit ihren dunklen Augen an. »Wenn zwei Menschen, ich und der Londoner Meister, beide ein bestimmtes Ereignis berechnen … Wie wahrscheinlich ist es da, dass die Zukunft dadurch … nebulös wird? Und so kann ich Euch nicht mehr über den Duc de Sully oder Gabriel Santon sagen.«
    Wenn sie gesagt hätte ›noch nicht mehr‹, hätte ich das für einen Köder gehalten.
    »Ich habe da so ein Problem mit Mangel an Beweisen«, bemerkte ich. »Ohne Beweise ist das Wort einer einzelnen Frau gar nichts wert.«
    »Oder das Wort eines Mannes.« Die alte Italienerin blickte von unten herauf. »Schlimmer noch als nichts. Nun da Ravaillac tot ist, wer außer Euch soll da bestätigen, dass die Königin Heinrich tot sehen wollte? Und ihr seid als Sullys Mann bekannt.«
    Das passte so gut zu meinen eigenen, unausgesprochenen Gedanken, die ich erst einmal beiseite geschoben hatte, um mich anderen Dingen zu widmen … und so dauerte es zehn Herzschläge, bevor mir bewusst wurde, was sie da eigentlich gesagt hatte.
    Ich starrte sie an. »Gütiger Gott, gibt es denn überhaupt noch jemanden, der das nicht weiß?«
    Verzweiflung verleiht einem Mann nicht gerade die Gravität, die er sich wünschen mag.
    »Ostrega!« Suor Caterina kicherte. »Jedenfalls muss es Euch so erscheinen. Ich entschuldige mich, Valentin. Ich habe nur laut gedacht. Ich habe mich hier daran gewöhnt, mit mir selbst zu reden.«
    »Oder vielleicht kommt ja auch Fludd her, um mit Euch zu reden, hm? Seinen eigenen Behauptungen zufolge muss er wissen, dass Ihr hier seid. Und sollte er es nicht wissen, ist das nicht endlich der Beweis für seine Scharlatanerie?«
    Ihr Lachen verstummte. »Er hat mich schon vor langer Zeit als eine der Giordanista berechnet, die in Lumpen gekleidet in einer Höhle haust und deshalb wahnsinnig sein muss … Und das ist in der Tat nicht die erste derartige Höhle, in der ich lebe. Nun … Ihr kennt sicher die alte Kriegslist, dass man sich genau dort verstecken soll, wo der Feind nie nachsieht, weil er weiß, dass es ihm gehört. In den letzten Jahren habe ich so wenige Vorhersagen über diesen Ort getroffen wie möglich aus Angst, seine Berechnungen könnten nebulös werden, und er würde mich direkt unter seiner Nase entdecken.«
    Die Frau, die sich selbst Suor Caterina nannte, stand langsam und vorsichtig auf.
    »Ich werde Euch einen Hinterausgang aus diesen Höhlen zeigen«, sagte sie. »So etwas könnte sich noch als nützlich für Euch erweisen.«
    Ich verwarf die Möglichkeit noch immer nicht ganz, dass irgendwo in dieser Höhle ein Dutzend Bewaffneter auf mich lauerte, aber ich nickte und folgte der alten Frau. Mit Schwert und Laterne in den Händen war ich für jeden Hinterhalt bereit, der mich in den weißen Gängen dieses Labyrinths zwischen glitzernden Mineralien und stillen Tümpeln erwarten sollte.
    »Darf ich davon ausgehen, dass Ihr eine Flucht für mich durch diese Gänge hier prophezeit habt?«, fragte ich säuerlich und prägte mir meine Umgebung ein. »Ich kann Euch nämlich sagen, dass ich nicht lange genug hier zu bleiben beabsichtige, als dass ich solch eine Fluchtmöglichkeit benötigen

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