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1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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solltet besser von hier fortgehen«, begann ich.
    »Mi son Caterina!«, rief sie.
    Ich bin Catherine. Caterina. Eine Irre, die sich daran erinnerte, dass sie einst einen Namen gehabt hat und dass das irgendwie wichtig war. Ich nickte ihr zu und stand langsam auf. Meine Schwertscheide scharrte über die Felswand hinter mir, und ich erstarrte – dreißig Herzschläge später sah es so aus, als hätte sie das nicht bemerkt. Ich würde verschwinden können, ohne dass sie sich wie eine Katze auf mich stürzt.
    » Ti xe ' Valentin Raoul St Cyprian Anne-Marie Rochefort de Cossé Brissac!«
    Ich blieb stehen.
    Die Frau hob die schwarzen Augen und schaute zu mir hinauf. Sie wiederholte: » Ti xe' Valentin. Ti xe' Raoul Rochefort de Cossé Brissac  …«
    »Nicht noch einer!«, bellte ich.
    Sie zuckte unwillkürlich zurück, als mein Brüllen von den Höhlenwänden widerhallte. Ihr Mund zitterte. Ich streckte mein Rapier aus; die Klinge glitzerte wie frisch geölt.
    »Wessen Trick ist das diesmal? Schon wieder Fludd? Lanier? Komm heraus, Aemilia! Ich werde diese Albernheit nicht noch einmal mitmachen!«
    Aufgeschreckt durch den Lärm huschten ein paar schwarze Schatten geräuschlos durch das Laternenlicht. Ich hörte nichts, was auf die Anwesenheit eines anderen Mannes hingewiesen hätte – oder einer Frau.
    »Also schön … Was haben sie dir bezahlt?« ich packte die Frau mit meiner freien Hand am Kragen, riss sie in die Höhe und warf sie mit dem Rücken gegen den Fels. »Eine Schauspielerin! Hör mit diesem Geplapper auf, du ›Irre‹!«
    Sie schaute mich über meine Faust hinweg an. Die Tränen quollen ihr aus den Augen. Zitternd lächelte sie.
    » Oh, cielo , misericordioso , voi non potete credere quanto mi fate felice !« Dann wechselte sie zu gebildetem, aber akzentbehaftetem Französisch. »Oh, gütiger Gott im Himmel, Ihr glaubt ja gar nicht, wie glücklich Ihr mich macht, Messire!«
    Ich drückte ihr die Klinge unters Kinn, knapp oberhalb meiner Faust, und Bluttropfen sickerten aus ihrer Haut. »Wer hat dir meinen Namen genannt?«
    Sie lächelte weiter. Ihre bleiche Zunge schoss hervor, und sie leckte sich die Tränen ab, die bis zum Mund gelaufen waren. Sie schaute mich an, und ihre Augen glänzten voll Freude.
    Ich schnappte: »Ich hatte schon Recht. Du bist verrückt!«
    »Ihr tut mir nicht weh.« Sie zuckte noch nicht einmal unter dem Druck meiner Klinge. »Ihr seid hier. Ihr seid hier …«
    Spontane Freude ist wohl das Gefühl, was man am schwersten vortäuschen kann. Tränen, Angst, Ekel und dergleichen sind wesentlich einfacher. Wer auch immer sie hierher gebracht hatte … Sie war wirklich überglücklich, Valentin Raoul Rochefort zu sehen.
    Warum?
    »Glaubt Fludd etwa, dass mich zwei Wahrsager mehr beeindrucken als einer?«, verlangte ich zu wissen. Die schwarzen Augen in dem blassen Gesicht schauten mich benommen an. Sie strahlte. Ich mag es nicht, alte Frauen zu schlagen, aber eine von Fludds Schachfiguren … Ich schüttelte sie hart und hielt sie nach wie vor gepackt.
    »Du kannst es mir einfach sagen, grand'mère , oder ich prügele es aus dir heraus! Er hat dir meinen Namen genannt. Jetzt sag du mir seinen!«
    »Ich habe mich selbst hierher gebracht, Valentin.« Sie hing in meinem Griff, ihre Stimme klang heiser, und sie schaute mich mit feuchten Augen an. »Ich habe auf dich gewartet. Zehn Jahre lang habe ich gewartet. Und nun … no ghe credo ! Egal, wie sicher ich auch war … Du bist es, du bist es, Rochefort, du bist es …«
    Ich nahm mein Schwert weg und ließ sie los.
    Doch sofort packte ich ihren Arm, als sie an der Wand hinunterrutschte.
    So sehr ich mich auch über mich selbst wie über sie ärgerte – was kümmerten mich die alten Knochen? –, ich hockte mich vor sie, als sie in eine kniende Position zusammensank. Ihr Rock fiel nach unten; das Haar war frei, und ihr Kittel verrutschte. Ich sah etwas an ihrer Hüfte.
    Ein Rosenkranz. Altes, poliertes dunkles Holz hing an einer Kordel, die ihr als Gürtel diente. Offensichtlich war er viel benutzt. Das metallene Kruzifix funkelte im Laternenlicht.
    Ich hob die Augenbrauen. »Zwar ist nicht ganz England ketzerisch, aber trotzdem ist es nicht klug, so etwas zu tragen. Du hast auf mich gewartet, und jetzt wirst du mir ohne Zweifel auch meine Zukunft vorhersagen. Soll ich das etwa glauben?«
    Sie lachte.
    In der Leere, die uns umgab, war es ein leises Geräusch, aber es ließ mich ungläubig den Mund aufklappen. Schließlich

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