1614 - Morganas Werwolf-Party
draußen zu schauen.
Plötzlich lief ihr die Zeit viel zu langsam.
Sie hatte sich bisher nicht dazu durchringen können, einen Entschluss zu fasse, denn noch waren die Bedingungen nicht so, wie sie sich sie gewünscht hätte.
Der Tag lag zwar in den letzten Zügen, aber die Dämmerung war nicht so weit vorgeschritten, als dass sie Carlotta bei ihrem Flug hätte schützen können. Da musste sie noch warten, und das fiel ihr nicht eben leicht.
Tief in ihrem Innern wusste sie, dass es bei Maxine nicht glatt gelaufen war. Sie war offenbar nicht einmal in der Lage gewesen, bei ihrer Ziehtochter anzurufen, dass sie später kommen würde. Wenn Carlotta das alles addierte, dann konnte nur ein sorgenvolles Gefühl zurückbleiben.
Sie musste etwas unternehmen.
Es war ein Vorteil, dass sie das Ziel der Tierärztin kannte. Bei dieser Frau namens Henriette Cook würde sie sich umschauen.
Die Natur stellte sich nicht gegen sie. Es dunkelte immer mehr ein, und Carlotta machte sich flugbereit. Es war noch immer winterlich kalt, so musste sie sich schützen. Sie besaß einen Poncho aus wärmenden Kaschmir. Der war extra für sie mit Löchern für die Flügel geschneidert worden, und den würde sie bei dieser Kälte überstreifen.
Als sie sich in den Stoff einwickelte, glitt ein Lächeln über ihre Lippen, denn bereits jetzt spürte sie die behagliche Wärme.
Sie verließ das Haus durch eine Hintertür. Hier fühlte sie sich vor einer Entdeckung sicher. Einen Flug an der Vorderseite zu starten war zu riskant.
Mit einem forschenden Blick zum Himmel stellte sie fest, dass es nichts gab, was ihren Flug durch die Dämmerung hätte gefährden können. Es war alles okay. Die Wolken würden sie schützen.
Nach einem kurzen Anlauf stieg sie ihnen entgegen.
Fliegen! Das war es!
Es gab nichts Schöneres für Carlotta, als durch die Luft zu segeln.
Sie wusste genau, welchen Weg sie nehmen musste.
An diesem frühen Abend sah sie keine Gefahr für sich.
Oft wurde sie auf ihren Ausflügen von Vögeln begleitet. An diesem Abend traf das nicht zu. Von ihren gefiederten Freunden war nichts zu sehen. Wahrscheinlich waren sie noch nicht alle aus dem Süden zurückgekehrt, denn hier in Schottland hielt der Winter das Land noch fest im Griff.
Carlotta flog auf Dundee zu - und zugleich auf das Wasser. Die Stadt liegt an einem Fjord, der sich nach Osten hin zum Meer öffnete.
Carlotta dachte daran, wie gern sie über das Wasser flog.
Heute nicht. Da war ihr Ziel ein anderes. Es lag in der Stadt, die von oben anders aussah als vom Boden aus. Aus der Höhe waren keine Straßenschilder zu lesen, da musste sie sich schon auf ihre Ortskenntnisse verlassen, und jetzt kam ihr zugute, dass sie in der Vergangenheit zahlreiche Ausflüge unternommen hatte.
Die Zielrichtung war klar, aber um sich genauer orientieren zu können, musste das Vogelmädchen an Höhe verlieren.
Das barg einige Gefahren, denn sie konnte gesehen werden. Doch jetzt vertraute sie auf den Schutz der Dunkelheit.
Unter dem Vogelmädchen lag die Stadt mit ihren Häusern, von denen sie nur die Dächer sah.
Ihr war bekannt, dass Henriette Cook in einer der Siedlungen lebte, von denen aus man das Wasser des Fjords sehen konnte. Und zwar gehörte diese Siedlung zu den ältesten, die in Dundee angelegt worden waren.
Als sie unter sich die Dächer der Häuser sah, ging sie das Risiko ein und verlor an Höhe.
Die Laternen der Straßen gaben ihren Schein ab. Auch aus den Fenstern der Häuser drang die Helligkeit und verteilte sich auf den Straßen und Gehsteigen.
Dundee war eine große Stadt und wirkte niemals ausgestorben. Auch jetzt waren Menschen unterwegs, doch ihre Anzahl hielt sich in Grenzen.
Es war kein Wetter für einen Spaziergang. Von den wenigen Menschen, die sie entdeckte, gab es keinen, der in die Höhe geschaut hätte, um den Himmel abzusuchen.
Bisher war alles okay. Carlotta ging auch weiterhin methodisch vor. Sie wollte jede Straße der kleinen Siedlung überfliegen, um dort nach Hinweisen zu suchen. Wenn sie nichts fand, würde sie es vom Boden aus versuchen. Doch zunächst setzte sie auf ihren Flug.
Immer tiefer musste sie gehen, um etwas zu erkennen.
Schmale Straßen. Kleine Häuser mit kleinen Gärten. Sie sah auch die geparkten Wagen an den Rändern - und wäre fast in die Tiefe gefallen, weil sie sich so erschreckt hatte.
In der dritten Straße, die sie überflog, sah sie auf einem freien Areal ein Fahrzeug stehen, das sie kannte.
Es war der
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