1618 - Der brennende Himmel
eine Hinter-oder Seitentür gibt es nicht?«
»Nein.«
Bill schaute zu, wie der Pfarrer die Tür aufschloss. Seine Erregung stieg dabei immer weiter an. Er wollte sich keine Gedanken darüber machen, was passiert sein könnte, er würde es gleich sehen, aber es musste etwas sein, das Jeremy Hudson tief erschüttert hatte.
Beide Männer betraten die Kirche und waren umgeben von einer Kühle, wie man sie überall in Gotteshäusern erlebt. Auch hier herrschte die übliche Stille.
Bill bewegte sich automatisch leiser. Sie passierten ein Taufbecken und konzentrierten sich auf den Mittelgang.
Der Pfarrer ging vor. Bill sah das Zucken seiner Schultern und hörte ab und zu ein Seufzen. Wie die Umgebung aussah, das interessierte den Reporter nicht, denn er sah, dass der Geistliche stehen geblieben war, den rechten Arm anhob und auf ein großes Kreuz hinwies, das von der Decke herab nach unten hing und sich dort befand, wo die Bankreihe aufhörte und der Altar begann.
Erst jetzt fiel dem Reporter der Geruch auf. Wenn ihn nicht alles täuschte, stank es verbrannt.
Sekunden später erhielt er die Erklärung.
»Schauen Sie sich das Kreuz an. Es besteht aus Holz. Es stammt aus dem vorletzten Jahrhundert. Es war immer unser Zeichen der Hoffnung. Jeder, der die Kirche betreten hat, schaute das helle Holz an. Was sehen Sie jetzt?«
»Es ist kein helles Holz.«
»Genau, kein helles Holz mehr. Das Feuer war da und hat es verbrannt. Und so sage ich Ihnen, dass der Satan in diesem Gotteshaus Einzug gehalten hat…«
***
Es war eine Erklärung gewesen, die Bill Conolly zunächst die Sprache raubte. Es war kaum zu fassen, aber es war auch nicht auszuschließen, dass dieser Vorgang mit dem Erscheinen des brennenden Himmels im Zusammenhang stand.
Das Feuer war auf die Erde gefallen und es hatte auch die Kirche nicht verschont.
Jeremy Hudson drehte sich um, weil er seinen Besucher anschauen und dessen Meinung hören wollte.
Bill konnte noch nichts sagen. Er war zu sehr mit seinen Überlegungen beschäftigt. Es hing noch dieser Brandgeruch in der Luft, aber das Feuer hatte das Kreuz nur angesengt und nicht völlig zerstört, sonst hätte es nicht mehr hier hängen können.
»Hat es Ihnen die Sprache verschlagen?«
Bill hob die Schultern. »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, aber ich stimme Ihnen zu. Das Kreuz sieht verbrannt aus. Haben Sie gesehen, wie es verbrannte?«
»Nicht direkt.«
»Aber…«
Der Pfarrer rang sich die Antwort ab und knetete dabei seine Hände.
»Ich war draußen. Ich habe den Himmel gesehen, aber dann wurde ich abgelenkt, als ich von außen durch eines der Kirchenfenster schaute. Hinter dem Glas sah ich ein Flackern. Es ist der Widerschein des Feuers gewesen.«
»Was haben Sie dann getan?« Hudson stöhnte auf und schlug die Hände vors Gesicht, als könnte er die Erinnerung so vertreiben. Nach einer Weile ließ er sie wieder sinken und flüsterte: »Ich habe nichts getan, gar nichts. Ich habe nur zugeschaut. Entsetzt wie nie zuvor in meinem Leben. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie mich das getroffen hat. Es war einfach grauenhaft. Es war einfach nur furchtbar, und mir wurde in diesen schlimmen Augenblicken klar, dass es noch eine andere Macht gibt, von der ich bisher nur gelesen, aber nichts gehört oder gesehen hatte. Ja, Mr. Conolly, das habe ich in diesen schlimmen Momenten alles erkannt, und ich bin nicht stolz darauf.«
Bill schwieg. Er konnte nachvollziehen, wie es dem Pfarrer ergangen war.
Hudson wollte nicht mehr stehen. Er ging zur Seite und setzte sich an das Ende einer Bank. Dort schlug er wieder die Hände vors Gesicht und schüttelte den Kopf. Der Reporter stand auf der Stelle wie festgewachsen. Durch seinen Kopf zuckten zahlreiche Gedanken, die alles andere als positiv waren. Er kam sich in diesen Augenblicken so hilflos vor. Ausgeliefert einer fremden Macht, die schon seit Urzeiten vorhanden war und nun zeigte, zu was sie fähig war.
»Wie klein ist man doch als Mensch gegenüber diesen gewaltigen Kräften«, flüsterte er vor sich hin.
»Was haben Sie gesagt?«
Bill winkte ab. »Nichts.«
Der Pfarrer gab nicht auf. Er fragte mit leiser Stimme: »Was kann man denn dagegen tun?«
Bill kannte die Antwort nicht. Ihm fiel nur ein, dass er den wahren Grund seines Kommens noch nicht gesagt hatte. Das würde ihm schwerfallen, aber es musste sein.
Der Angriff auf die Tankstelle und das Kreuz war so etwas wie eine Ouvertüre gewesen. Das richtige Drama sollte noch folgen. Dieser
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