1619 - Die Vampir-Echse
Blut getrunken hatte, was würde dann mit ihr geschehen?
Der Mensch wird zu einem Vampir! Wenn er erwacht, ist auch die Gier nach dem Blut da.
Daran dachte sie, und so würde es auch mit ihr sein. Nur fragte sie sich, ob sie noch ein Mensch bleiben oder sich ebenfalls in ein solches Geschöpf verwandeln würde.
Es waren Vorstellungen, auf die sie keine Antwort wusste.
Sie zuckte zusammen, als die VampirEchse damit anfing, sie zu streicheln. Sie tat es nicht mit normalen Fingern, sondern mit ihren leicht gebogenen Krallenspitzen, die jetzt von ihrem Bauchnabel her in die Höhe glitten und sich ihrem Gesicht näherten.
Das Oberteil des Jogging-Anzugs hatte einen Reiß verschluss. Er war zur Hälfte geöffnet, und genau in dieses Dreieck hinein glitten die Spitzen der Krallen.
Lisa riss den Mund auf. Sie versteifte sich dabei. Sie hatte vor zu schreien, doch nicht mal ein Stöhnen drang aus ihrem offenen Mund.
Ihre Kehle war einfach zu.
War es ein Krächzen, war es ein Lachen, mit dem die Kreatur ihren Triumph ausdrückte? Lisa wusste es nicht. Dafür erlebte sie den nächsten Schock.
Das Gesicht der Unperson hatte sich dem ihren so weit genähert, dass nur noch eine Handbreit Raum zwischen den beiden war.
Wieder schoss die gespaltene Zunge hervor.
Zum ersten Mal erwischte sie die Frau.
Lisa verkrampfte sich noch stärker. Sie glaubte, von einer Leimrute getroffen worden zu sein. Es war einfach schlimm für sie, diese klebrige Masse auf der Haut zu spüren und auch die Bewegung, denn die Zunge glitt von unten nach oben über ihre linke Wange, als wollte sie die Schweißtropfen aufsaugen, die sich dort gebildet hatten.
Lisa fühlte sich wie tot. Es war ihr gelungen, die Empfindungen auszuschalten.
Sie dachte auch nicht daran, sich zu wehren, weil sie einfach nicht die Kraft dazu besaß.
Die Angst hatte sie steif werden lassen. Wie ein Brett lag sie auf der Couch, und sie schloss für einen kurzen Moment die Augen, weil sie die VampirEchse nicht sehen wollte, die jetzt einen tiefen Brummlaut abgab, was wohl ihre Zufriedenheit andeuten sollte.
Endlich raffte sich Lisa so weit auf, dass sie ein Wort sagen konnte. Es war wirklich nur das eine, und sie flüsterte: »Bitte…«
Die Kralle griff zu. Lisas Haar war das Ziel. Es war zwar kurz geschnitten, doch es reichte der Angreiferin. Sie verkrallte sich darin und drückte den Kopf nach rechts. Sie wollte an die linke Halsseite der Frau, wie es auch ein normaler Vampir tat.
Zubeißen, das Blut trinken, das aus der Wunde sprudelte, und sich dann so etwas wie ein Ebenbild schaffen.
Alles war klar.
Sie würde beißen, und Lisa blieb nichts anderes übrig, als sich in ihr Schicksal zu ergeben…
***
Shao und Suko gingen den Weg, den sie schon kannten. Die Chinesin stupste ihren Partner in die Seite und fragte: »Wieso sagst du nichts?«
»Was willst du denn hören?«
»Dass dir unsere Aktion nicht so recht passt, zum Beispiel.«
Suko lachte leise. »Woher weißt du das?«
»Ganz einfach, du verhältst dich so.«
»Das stimmt allerdings.«
»Es dauert ja nicht lange. Ich möchte mich nur mit einem ruhigen Gewissen ins Bett legen.«
»Ist schon okay.«
Sie gingen bereits über den Weg, der zu den Häusern führte. Sie tauchten vor ihnen auf wie eine Filmkulisse. Hohe, dunkle Wände mit hellen Flecken, hinter denen sich das Licht verteilte, das in den Zimmern brannte.
Nicht alle Fenster waren erhellt, sodass ein Muster entstand, das an ein Kunstwerk erinnerte.
»Siehmal, Suko!«
»Wohin?«
Shao blieb stehen. »Das große Fenster, das zu Lisas Wohnung gehört, ist ebenfalls erhellt. Wir haben Glück, sie ist noch nicht im Bett.«
»Vielleicht hat sie Besuch bekommen.«
»Das will ich nicht hoffen.«
»Denkst du an die Echse?«
»Daran denke ich die ganze Zeit.«
Suko sagte nichts. Shao hatte es eilig, sie wollte so schnell wie möglich bei ihrer Bekannten sein. Suko musste fast laufen, um ihr folgen zu können.
Shao blieb vor ihm, aber sie bog nicht nach rechts zur Haustür hin ab, sondern schaute vor dem Balkon stehend zu ihm hoch und schüttelte den Kopf.
Suko wunderte sich über ihr Verhalten.
»Was ist mit dir? Was hast du?«
»Schau mal genau hin. Ich bin mir sicher, dass die Tür offen steht.«
»Und weiter?«
»Macht dich das nicht misstrauisch? Es ist zwar ein recht warmer Tag gewesen, aber das ist jetzt vorbei. Es ist kühler geworden, und wer lässt bei diesen Temperaturen schon seine Balkontür offen? Kannst du mir das
Weitere Kostenlose Bücher