1624 - Die Atlantis-Hexe
Schlaf anging.
Sie hatte vergeblich versucht, wieder einzuschlafen. Letztendlich war es nur ein Hin-und Herwälzen gewesen, und selbst als sie die Dusche verlassen hatte, da hatte sie sich wie gerädert gefühlt.
Sie stand auf und ging zum Schrank, der sich in ihrem Büro befand. Dort öffnete sie die Tür, stellte sich vor die Innenseite und schaute in den Spiegel.
Zufrieden mit sich war sie nicht. Zwar ging sie nicht zu einer Modenschau, aber etwas Rouge konnte die Haut schon vertragen, besonders unter den Augen. Es stand nirgendwo geschrieben, dass weibliche Staatsanwälte graue Mäuse sein mussten.
Purdy Prentiss war eine attraktive Frau. Ein hübsches Gesicht, rötliche Haare, die halblang wuchsen und den Kopf wie einen Helm umgaben.
Die Länge war praktisch, und die Haare ließen sich nach dem Waschen immer schnell trocknen.
Sie schloss den Schrank, ging zum Schreibtisch und wollte ihre Aktenmappe nehmen, da schlug das Telefon an. Die Verhandlung würde in ein paar Minuten beginnen. Jetzt noch ein Gespräch zu führen war so gut wie unmöglich.
Sie hob trotzdem ab.
Es war der Gerichtsdiener, der ihr erklärte, dass der Prozess erst eine Viertelstunde später beginnen würde, weil der Richter sich verspätet hatte.
»Danke für den Anruf.«
»Keine Ursache, Mrs. Prentiss.«
Purdy ließ sich wieder zurück auf ihren Schreibtischstuhl fallen. Sie war froh, einen Aufschub gewonnen zu haben, doch sie schaffte es nicht, sich gedanklich mit dem bevorstehenden Prozess zu beschäftigen.
Andere Dinge huschten durch ihren Kopf.
Da stand an erster Stelle der Name Diondra.
Es war kein gewöhnlicher, wie man ihn alle Tage hört, ebenso wie die Frau nicht gewöhnlich war, die Purdy noch nicht zu Gesicht bekommen hatte. Sie konnte sich überhaupt kein Bild von ihr machen. Umgekehrt war es offenbar der Fall. Diese Person hatte Purdy nicht vergessen, auch wenn sie in Atlantis eine ganz andere Person gewesen war, die mit der heutigen Staatsanwältin nicht zu vergleichen war.
Der Kontakt zu ihrer Vergangenheit war nicht zum ersten Mal entstanden. Da hatte es schon einige böse Fälle gegeben, an die sie sich nicht erinnern wollte. Ebenso wenig wie an Eric La Salle, ihren Geliebten, der ebenfalls in Atlantis gelebt hatte. Dann war auch er wiedergeboren, und durch Zufall hatten sich die beiden in dieser neuen und anderen Zeit wiedergefunden.
Das Leben war schon rätselhaft, und jetzt hielt es wieder ein neues Rätsel für sie bereit.
Sie war fertig, sie konnte gehen. Es war auch nicht schlimm, wenn sie einige Minuten früher eintraf. Im Schreibtisch stand noch eine Flasche Mineralwasser. Bevor Purdy ging, nahm sie einen kräftigen Schluck. Die Luft im Saal war immer trocken und wenn viele Zuschauer dem Prozess beiwohnten, auch oft mit Gerüchen gefüllt.
Purdy musste nur noch ihre Robe über den sandfarbenen Hosenanzug streifen, was sie auch tat. Das war eine Bewegung, die ihr in Fleisch und Blut übergegangen war.
Dennoch fühlte sie sich unter ihrer Robe nie richtig wohl. Sie war noch immer der Ansicht, dass sie das nicht war, aber dagegen wehren konnte sie sich nicht.
Einen Moment später schnappte sie ihren Aktenkoffer, ging zur Tür und hatte sie noch nicht erreicht, als die nächste Botschaft sie voll erwischte.
Wieder entstand wie aus dem Nichts eine Säge im Kopf. Der stechende Schmerz ließ sie innehalten. Sie beugte sich sogar leicht nach vorn, holte saugend Luft und spürte, dass ihr Herz schneller schlug als sonst.
Es war ein hartes Klopfen, und ohne dass sie es wollte, drang ein leises Stöhnen über ihre Lippen.
Niemand musste ihr sagen, was geschehen war. Sie wusste es auch so.
Diondra hatte sich gemeldet.
Purdy Prentiss konnte nichts tun. Sie musste einfach nur warten, wie es weiterging, aber sie richtete sich auf und spürte, dass ihr Gesicht feucht geworden war.
Dann war die Stimme wieder da. Sie klang so sanft, so freundlich. Wie die einer guten Freundin.
»Hallo, Purdy.«
Die Staatsanwältin schwieg. So hoffte sie, die andere Person aus der Reserve zu locken.
»Hast du mich vergessen?«
Jetzt antwortete die Staatsanwältin. »Nein, das habe ich nicht. Ich bin es gewohnt, mit Menschen zu kommunizieren, die ich kenne. Das ist bei dir nicht der Fall. Deshalb interessiert es mich schon, wer du bist.«
»Oh, bist du so vergesslich? Das habe ich dir bereits gesagt.«
»Aber ich kenne dich nicht.«
»Ich dich schon. Sogar recht gut, Purdy.« Sie legte eine kleine Pause ein. »Denk mal an
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