1624 - Die Atlantis-Hexe
nicht gesehen, weil die Leute sich auf den Richter konzentrierten. Nur einer lachte. Es war Jason Shaft. Kurz und trocken, was Mason Kilrain auf sich bezog und ihm einen scharfen Blick zuwarf.
Shaft war sofort still.
Aber Purdy wurde den Eindruck nicht los, dass er über sie Bescheid wusste. Wie das kam, konnte sie sich auch nicht erklären, aber irgendwie war sie sich sicher.
»Ich lasse dich nicht mehr aus den Augen. Ich bin da. Es ist toll, deine Nähe zu spüren.«
Purdy hütete sich davor, eine Antwort zu geben. Sie wollte nicht, dass man dachte, sie würde Selbstgespräche führen. Stattdessen senkte sie den Kopf und schaute sich die Notizen an.
Der Richter hatte seine Ausführungen beendet. Er lehnte sich zurück und warf der Staatsanwältin einen auffordernden Blick zu.
»Das Wort haben Sie. Beginnen Sie bitte mit Ihrem Plädoyer.«
»Ja, Euer Ehren.« Sie hatte die Antwort nicht sehr laut gegeben, und darüber ärgerte sie sich. Das war nicht ihre Art, denn sie war als energische Person bekannt.
Es passte ihr auch nicht, dass sie sich hinstellen musste. Ihre Knie waren einfach noch zu weich. Aber sie musste sich an die Vorschriften halten, und so stemmte sie sich hoch, als wäre sie eine alte Frau.
Der Killer beobachtete sie dabei. Sein Grinsen wurde breiter, und Purdy nahm sich vor, sich nicht von ihm aus der Fassung bringen zu lassen.
Das war auch nicht nötig, denn dafür sorgte ein anderes Ereignis.
Keine Tür hatte sich geöffnet. Kein Fenster war aufgestoßen worden, und trotzdem war die Frau plötzlich da. Ein türkisfarbenes Lichtband schob sich in den Gerichtssaal hinein, als wäre es eine Straße. Aber es war nicht leer, denn auf dieser Lichtstraße malte sich eine Gestalt ab.
Eine dunkelhaarige Frau, die ein ebenfalls dunkles Kleid trug, das eine Schulter frei ließ, und Purdy wusste sofort, wer diese Erscheinung war.
Das war Diondra, die wie eine Geistgestalt in den Saal eingedrungen war und über dem Boden schwebte.
»Na, habe ich mein Versprechen gehalten?«
Purdy Prentiss gab keine Antwort. Es gab nur Diondra, alles andere war nicht mehr wichtig für sie, und es dauerte nicht mal zwei, drei Sekunden, da wusste sie Bescheid.
Plötzlich waren die Erinnerungen an ihr erstes Leben wieder da, und sie wusste nun, woher sie die Person kannte.
Das war der Moment, als sie zurück auf ihren Stuhl fiel und die Umgebung um sie herum verschwamm.
Eine andere tauchte auf. Mitgebracht von Diondra. Herausgerissen aus dem Gefüge der Zeit und für Purdy Prentiss eine sehr plastische Erinnerung an das, was sie längst zu vergessen geglaubt hatte.
Aber jetzt war es wieder da. Ihr erstes Leben. Und daran konnte sie nichts ändern…
***
Sir James war nicht allein. Sein Besucher trug eine Uniform. Nicht die eines Polizisten, sondern die Kluft eines Kapitäns zur See. Der bärtige Mann wurde uns als Tom Harrison vorgestellt, nachdem Sir James auch unsere Namen gesagt hatte.
Wir nahmen Platz, und uns beiden fiel auf, dass der ruhige Eindruck des Seemanns nur gespielt war. Wer genauer hinschaute, der erkannte schon seine Nervosität.
Sir James rückte seine Brille zurecht und räusperte sich. Das war bei ihm wie ein Ritual, das uns nicht fremd war. Es hätte uns gewundert, wenn es anders gewesen wäre.
Suko und ich hörten aufmerksam zu, was uns Sir James zu sagen hatte.
Der Kapitän war froh, dass er nicht zu reden brauchte. Auf seinem Stuhl rutschte er hin und her.
Sir James berichtete uns von dieser Erscheinung, die plötzlich auf dem Meer zu sehen gewesen war. Er sprach von einem blauen und auch grünlichen Licht, das diese Frau mit den dunklen Haaren begleitet hatte.
Sie hatte sich den Männern gezeigt, und man hatte sie zuerst für eine Fata Morgana gehalten.
»Aber das ist sie nicht gewesen, wie mir Mr. Harrison ausdrücklich versicherte. Sie war real und doch irgendwie unwirklich.« Sir James gestattete sich ein Lächeln. »Und man kann hier auch nicht von einer Meerjungfrau sprechen, es gab die Person, wobei die Zeugen allesamt den Eindruck hatten, dass sie nicht aus Fleisch und Blut bestand. Es wäre also ein Fall für Sie beide. Zudem halte ich Mr. Harrison nicht für einen Menschen, der sich irgendetwas ausgedacht hat, um sich wichtig zu machen. Er hat einige Tage darüber nachgedacht, ob er sich an die Polizei wenden soll oder nicht. Er wollte sich auf keinen Fall lächerlich machen. Dann hat er sich doch entschlossen, und zum Glück ist er an einen Menschen geraten, der ihm
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