1626 - Qeyonderoubos Aufstieg
immaterielles Netz bannte wie Klebstoff seine Glieder an den Boden. Der Leuban haftete am Hinterleib. Erst jetzt bemerkte er, daß seine Drüsen ein Sekret der Erregung ausschieden.
Dann war es Xhanshurobar, der natürlich als erster das Schweigen brach. „Colounshaba ... Seit wann sind dir diese Fakten bekannt?"
„Teilweise seit einigen Sonnenläufen. Teilweise erst seit Stunden. Es gab keinen Grund, die Sachlage vorher zu erklären. Ich hatte anderes zu tun."
„Und was... was soll nun geschehen?"
„Wir werden das Problem der Sriin lösen. Schließlich sind wir deswegen alle hier."
Erneut brach ein kleiner Tumult aus. Doch diesmal hatte Qeyonderoubo nicht die Absicht, schweigend zuzuhören; diesmal wollte er selbst in den Ablauf der Geschehnisse eingreifen. Gerade von Colounshaba hätte er eine geschicktere Führung der Konferenz erwartet. Denn genau dazu war das Treffen nun unversehens doch noch geworden. Hier und jetzt würde entschieden, wie es mit den Arcoana in Zukunft weiterging. Er war gekommen, um seine Hilfe anzubieten - und mit einemmal lastete eine ungeheure Verantwortung auf jedem von ihnen. Die anderen waren sich dessen noch nicht einmal bewußt, das begriff er gleichzeitig. Sonst hätten sie geschwiegen und nicht durcheinandergeredet. Was interessierte die Meinung des Nachbarn, wenn es hier in der großen Mulde von Affraitancars Netzberg um die Zukunft ging?
Er richtete sich zur vollen Größe von einer Fadenlänge auf. Im Geschiebe ringsum hielt er das Gleichgewicht nur mit Mühe. Zum aufrechten Stehen waren die Körper der Arcoana schlecht geeignet. „Hört mir zu!" rief er laut. „Wir können nicht handeln, ohne den Großdenker unseres Volkes zu hören. Den neuen Großdenker, Colounshaba! Wer ist es, wenn die meisten unserer Weisen nicht mehr am Leben sind?"
Die Konstrukteurin dachte lange nach. Und nun herrschte die atemlose Stille, die sich Qeyonderoubo vorher gewünscht hätte. Nur er selbst verursachte einen schabenden Laut, als er auf alle vier Gliedmaßenpaare zurückfiel. „Der neue Großdenker ist mir bekannt", sang sie. „Aber er weilt nicht an diesem Ort. Er hat sich zurückgezogen, um nachzudenken."
„Was für ein Großdenker ist das?" fragte Qeyonderoubo 'bitter. „Weshalb hilft er uns nicht?"
„Ich kann dir nichts darüber sagen, Qeyonderoubo."
Er wunderte sich nicht, daß Colounshaba seinen Namen kannte; ein so winziges Detail fiel in dieser Situation nicht einmal dem Klügsten auf. „Aber du mußt doch eine Vorstellung haben, wie es weitergeht!"
„Die habe ich auch. Wir werden die Entscheidung treffen."
„Wir?" Qeyonderoubo war schon froh, daß nicht wieder alle durcheinandersangen. „Ja, wir! Wer sonst sollte es tun?"
„Aber wir haben keinen Überblick über das, was sich im Sheokorsystem tut!"
„Das ist richtig", gab Colounshaba zur Antwort. „Und deshalb schlage ich vor, daß wir zwei aus unserer Mitte bestimmen, denen die Verantwortung für das Problem übertragen wird."
Gegen die Stille vorher wirkte das Schweigen, das sich in diesem Moment anschloß, wie das des Todes. Die Sekunden dehriten sich zu Ewigkeiten. Qeyonderoubo schaute sich unauffällig um; doch es gab keinen, der sich in diesem Augenblick auf die Hinterglieder erhoben und gemeldet hätte. „Es liegt an euch!" sang die Konstrukteurin. „Ich selbst habe am Schrittmacher zu tun. Und es ist für mich auch die falsche Aufgabe, mich mit den Sriin zu befassen. Wer stellt sich zur Verfügung? Wer glaubt an seine Fähigkeiten?"
Erneut das Schweigen.
Doch endlich meldete sich eine Stimme, die Qeyonderoubo an diesem Augenblick am wenigsten erwartet hatte: das vorlaute Organ, das er niemals wieder vergessen würde... Eben weil es sich so sehr von der melodiösen Zurückhaltung der anderen unterschied. „Ich werde es machen!" sagte Xhanshurobar laut. Aus seinen Worten sprach nicht die geringste Unsicherheit - eher das Selbstvertrauen eines jungen Arcoana, der erst vor kurzer Zeit aus den Klonkuben geschlüpft war, der über ausgelassene Energie verfügte. „Ich danke dir, Xhanshurobar. Doch ich halte es für falsch, die Aufgabe allein dir aufzubürden.
Ein weiterer Arcoana soll dir zur Seite stehen. Einer, der mehr als du die Weisheit unseres Volkes repräsentiert."
Verzweifelt schaute Qeyonderoubo in die Runde. Er folgte den Blicken Colounshaba, die überall kurz verweilten, aber nirgendwo haften blieben. „Wer sonst stellt dich zur Verfügung?"
Das Schweigen schmerzte ihn körperlich.
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