1627 - Panik
das kam uns sehr entgegen.
»Es geht weiter«, flüsterte er, »und ich muss Ihnen sagen, dass es äußerst schlimm war. Von der Panik, die mich urplötzlich überfallen hatte, habe ich Ihnen schon berichtet. Es war ein Gefühl, das seinen Ursprung im Nichts hatte. So ist das gewesen. Im Nichts. Aber es blieb nicht dabei. Ich selbst konnte nichts mehr ändern. Ich saß wie eine Puppe auf meinem Platz. Dabei war alles in Reichweite. Das Telefon, der Laptop. Ich brauchte beides nur zu bedienen, was leider nicht mehr möglich war, denn ich konnte mich nicht bewegen. Nicht mal den kleinen Finger konnte ich rühren, und das war schlimm. Ich kam auch nicht mehr dazu, darüber nachzudenken, warum es gerade mich erwischt hatte, denn dieser grauenhafte Vorgang setzte sich fort. Und er wurde sogar bebildert…«
Das überraschte uns.
»Was sagen Sie da?«, flüsterte Suko.
Der Commissioner fing an zu lachen.
»Da wundern Sie sich, wie? Aber es ist so gewesen. Ich habe meinen Laptop erwähnt, der auf dem Schreibtisch stand. Und dort ging es weiter. Auf dem Monitor sah ich die schlimmsten, grausamsten und schrecklichsten Bilder, die man sich nur vorstellen kann. Ich weiß bis jetzt noch keine Erklärung, aber in meinem Büro hatte ich das Gefühl, als wäre in meiner Nähe das Tor zur Hölle geöffnet worden. Sie können sich nicht vorstellen, was ich da gesehen habe…«
Er riss die Hände vors Gesicht, um die Bilder zu verscheuchen, was ihm wohl nicht gelang, denn die Erinnerung ließ sich nicht manipulieren.
Ich hörte Dr. Kennedy schwer atmen. Als ich ihn anschaute, schüttelte er den Kopf. Er war blass geworden und hatte wohl mit dem zu kämpfen, was ihm gesagt worden war.
»Der Commissioner ist nicht - ich meine - wer sieht schon derartige Bilder, der geistig normal ist?«
»Er ist geistig normal«, erklärte ich.
»Ach, und wieso sind Sie sich dessen so sicher?«
»Bedenken Sie, Mr. Kennedy, dass wir nicht grundlos hier stehen. Wir kümmern uns um Fälle, die die Grenzen des Normalen sprengen.«
Damit konnte er nicht viel anfangen und fragte: »Arbeiten Sie auch als Neurologen oder Psychologen?«
»Nein, Doktor. Wir sind zwei ganz normale Menschen oder Polizisten, die allerdings nicht auf jeden Fall angesetzt werden. Das sollte Ihnen vorerst genügen.«
Albert Finch hatte zugehört und gab uns seine Antwort. »Danke, dass Sie so denken und mich nicht für einen Spinner halten. Denn alles, was ich Ihnen gesagt habe, entspricht den Tatsachen. So viel Blut, so viele Tote und so viele zerstückelte Menschen habe ich nie zuvor in meinem Leben gesehen.«
»Ja, wir glauben Ihnen.«
Er musste noch mal trinken. In der Zwischenzeit war ihm eine neue Frage eingefallen. »Können Sie mir sagen, wie Sie zu mir gefunden haben? Wer hat Sie über meinen Zustand informiert?«
»Ihr Schicksal hat sich bis zu unserem Chef Sir James herumgesprochen. Er hat sofort reagiert.«
»Ah ja, der gute Sir James. Was hat er sonst noch zu diesem Fall gesagt?«
»Das wissen wir nicht«, antwortete Suko. »Wir haben noch nicht mit ihm gesprochen.«
»Aber das werden Sie - oder?«
»Ja.« Ich lächelte. »Wir wollten uns vorher nur ein Bild von Ihnen und Ihren Aussagen machen.«
»Da bin ich froh.« Er sah wirklich erleichtert aus und fragte: »Haben Sie denn eine Idee, wie es weitergehen soll?«
»Nein, Commissioner, das haben wir noch nicht. Aber ich verspreche Ihnen, dass wir dranbleiben werden. Es muss einen Grund geben, dass Ihnen so etwas widerfahren ist.«
»Das denke ich auch.«
»Und der Grund könnte an Ihnen selbst liegen, Mr. Finch.«
Da hatte ich etwas gesagt, das ihn zwar nicht eben erschütterte, aber nachdenklich machte. Er senkte den Blick und dachte nach. Nach einer Weile hob er die Schultern.
»Sorry, meine Herren, aber ich kann mir keinen Grund vorstellen. Ich habe nichts getan. Ich habe mich nicht anders verhalten als immer. Dass mich dieses Grauen erwischt hat, ist mir ein Rätsel und wird es auch immer bleiben.«
So ganz waren wir nicht einer Meinung mit ihm. Suko schlug ihm vor, noch mal intensiv nachzudenken, was Finch auch versprach. Ansonsten wollte er von Dr. Kennedy wissen, wann man ihn entlassen würde.
Der Arzt wollte ihn noch einen Tag und eine Nacht in der Klinik behalten.
Das passte Finch zwar nicht, aber er stimmte trotzdem zu und reichte uns zum Abschied die Hand.
»Tun Sie Ihr Bestes. Auch wenn ich Ihnen keine Hilfe sein kann. Ich habe trotzdem Vertrauen zu Ihnen.« Dann sagte er noch:
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