1627 - Panik
konnte.
In den nächsten Sekunden sprachen wir ihn nicht an. Der Commissioner sollte sich erst an die neue Situation gewöhnen, was schon eine Weile dauerte. Die Gefühle, die ihn dabei durchtobten, spiegelten sich auf seinem Gesicht wider. Darin war so etwas wie Erkennen zu sehen, auch Unglaube. Er bat um einen Schluck Wasser, der ihm vor Suko gereicht wurde. Danach sprach er lauter.
»Ich erkenne Sie als Arzt wieder, Doktor. Ich weiß auch, dass ich in einem Krankenhaus liege. Auch die beiden Herren sind mir nicht unbekannt.«
Er schaute mich an. »Sie arbeiten beim Yard, und ich kenne Ihren Chef, Sir James, gut.«
Seine Lippen zuckten, als wollte er lächeln, aber er blieb ernst.
»Wenn ich weiterhin nachdenke, was mir ein wenig schwerfällt, weil ich zu träge bin, dann komme ich zu dem Schluss, dass Sie, Mr. Sinclair, und auch Sie, Suko, hier erschienen sind, weil Sie sich um Fälle kümmern, die nicht in den Bereich des Normalen fallen. Ist das so richtig?«
»Besser hätten wir es nicht formulieren können, Sir«, gab Suko zu.
Auch Dr. Kennedy hatte die Aussage gehört. Da Albert Finch schwieg und sein Gesicht einen Ausdruck von Nachdenklichkeit zeigte, übernahm der Arzt das Wort.
»Was hat er damit gemeint, dass Ihre Fälle nicht in den Bereich des Normalen fallen?«
Die Frage hatte ich irgendwie erwartet. Nur fiel es mir schwer, eine Antwort zu geben. Ich konnte dem Arzt nicht offen erklären, um was wir uns kümmerten. Er hätte uns kaum folgen können und uns womöglich für überdrehte Spinner gehalten.
Zum Glück rettete uns der Commissioner mit seinen Worten, wobei er sogar ein Lächeln zeigte.
»Ja, ich weiß, womit Sie sich beschäftigen, meine Herren. Ich habe oft genug von Ihnen gehört und auch einiges über Sie gelesen.« Er schloss für einen Moment die Augen und fragte dann: »Soll ich Ihnen etwas sagen, meine Herren?«
Ich nickte ihm zu. »Wir bitten darum, Sir.«
»Ich denke, dass Sie bei mir genau richtig sind.«
Viel versprochen hatten wir uns von dem Besuch nicht. Diese Aussage allerdings hatte uns schon überrascht, denn damit hatten wir nicht rechnen können. Seine Worte wiesen darauf hin, dass er ein Erlebnis gehabt hatte, das er sich selbst nicht erklären konnte, und jetzt warteten wir voller Spannung darauf, dass er mit mehr Details herausrückte.
»Können Sie uns Genaueres darüber sagen, was Sie erlebt haben?«, fragte ich.
»Ja, ja, ich versuche es.« Seine Hände lagen auf der Bettdecke. Er bewegte sie jetzt unruhig. Es war ihm anzusehen, dass er scharf nachdachte.
Mit der nächsten Frage überraschte er uns.
»Wissen Sie, meine Herren, was Angst ist?«
Suko und ich tauschten einen schnellen Blick, bevor wir die Frage bejahten.
»Gut. Dann kann ich einen Schritt weitergehen.« Er musste sich noch mal konzentrieren. »Haben Sie in Ihrem Leben schon mal eine richtige Panik erlebt? Ein Gefühl, das alles andere wegschwemmt? Das Sie völlig vereinnahmt? Das dafür sorgt, dass Sie sich nicht mehr bewegen können und Sie sich wie ein Gefangener fühlen?« Er schaute uns an.
»Bitte, geben Sie mir eine ehrliche Antwort.«
Suko sagte: »Nicht sehr oft, und wohl auch nicht so intensiv, wie Sie es geschildert haben.«
»Gut. Und Sie, Mr. Sinclair?«
»Ich schließe mich dem Inspektor an.«
Albert Finch holte wieder tief Atem. »Aber ich habe sie erlebt. Ich wurde von einer wahnsinnigen Panik erfasst. Es war furchtbar, und es geschah von einem Augenblick auf den anderen. Ich konnte nichts dagegen tun. Ich war nicht in der Lage, mich gegen diesen Ansturm zu wehren. Es war grauenhaft. So etwas habe ich noch nie zuvor erlebt. Ich habe nicht mal daran gedacht, dass es so etwas überhaupt geben könnte.«
Seine Stimme, die bisher sehr ruhig geklungen hatte, veränderte sich. Er sprach jetzt hektischer und holte schneller Luft. Die Erinnerung hielt ihn voll im Griff, und auf seinem Gesicht sammelte sich der Schweiß.
Dr. Kennedy mischte sich ein. »Bitte, meine Herren, ich glaube nicht, dass es gut ist, wenn Sie den Patienten länger mit diesen Problemen konfrontieren. Mr. Finch braucht seine Ruhe und…«
Der Commissioner meldete sich selbst zu Wort. »Hören Sie auf, Doktor, mich wie ein kleines Kind zu behandeln. Ich weiß genau, was ich tue. Ich bin fast wieder okay. Und ich sage Ihnen, dass ich meine Aussagen einfach loswerden muss.«
»Gut. Auf Ihre Verantwortung.«
»Das meine ich auch.«
Wir konnten nur froh sein, dass Albert Finch so reagiert hatte, denn
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