1639 - Las Vegas-Wölfe
konnte, was uns im Prinzip weiterhalf. Wir wussten zumindest, wo wir ansetzen konnten, und ich nahm mir vor, so etwas wie ein Beschützer für Stella zu sein.
Ich musste davon ausgehen, dass Liz sie suchen und auch finden würde. Schließlich war zwischen ihnen alles abgesprochen worden, und es gab keinen Grund für sie, ihre Pläne zu ändern. Ich zog mich an und schaute aus dem Fenster in den Morgen hinein. Über der Stadt lag ein perfekter blauer Himmel. Es zeigte sich keine einzige Wolke, dafür stand bereits der Ball der Sonne so hoch, dass er wie ein Hitzeofen wirkte.
Es würde wieder ein heißer Tag werden, daran gab es nichts zu rütteln.
Ich konnte es nicht ändern und musste mich mit der Hitze abfinden.
An den Rändern der Stadt, wo auch die letzten Vororte ausliefen, begann die Wüste. Mein Zimmer lag so hoch, dass ich in der klaren Luft bis dorthin schauen konnte.
Die Gegend war nicht nur flach. Ich sah die grauen Ketten der Berge in der heißen Luft als zerfasernde Konturen flimmern. Die Villen und prächtigen Häuser außerhalb der Stadt sahen aus wie Inseln, die sich um Las Vegas drängten. Alles war hier künstlich. Jeder Wassertropfen musste herangeschafft werden, um diese Glitzerwelt am Leben zu erhalten.
Man durfte über Las Vegas nicht nachdenken. Man musste diesen Ort einfach hinnehmen, von dem nicht wenige Menschen behaupteten, dass es eine moderne Hölle war, in der der Teufel in der Gestalt eines Rouletttisches regierte oder sich in unzählige Automaten aufgeteilt hatte, denen man nicht entkommen konnte. Ich war nur froh, dass sich so ein Ding nicht in meinem Zimmer befand.
Als sich das Telefon meldete, drehte ich mich vom Fenster weg.
Abe Douglas war am Apparat.
»Schon auf, John?«
Ich musste lachen. »Was denkst du denn?«
»Hast du wenigstens gut geschlafen?«
»Nun ja, ich will mich nicht beschweren.«
»Okay. Dann sollten wir uns zum Frühstück treffen.«
»Ja.«
»Ich komme vorbei. Bis gleich.«
Wir mussten darüber reden, wie es weitergehen sollte. Einen Schlachtplan hatten wir uns noch nicht ausgedacht.
Wenig später fuhren wir mit dem Lift nach unten. Abe Douglas machte einen ausgeschlaf enen Eindruck. Ebenso wie ich hatte er andere Kleidung angelegt. Keine, die für die Wüste geeignet gewesen wäre.
Beide hatten wir das Gefühl, nicht mehr die Stadt verlassen zu müssen.
Die Wölfe hatten Zeit genug gehabt, in sie einzudringen.
Wölfe in der Stadt des Lasters. Der Begriff schoss mir durch den Kopf.
Hier gab es nichts Natürliches mehr. Hunde, die von Gästen mitgebracht wurden, waren vermenschlicht. Ich hatte den Eindruck, mich in einem Kunstobjekt zu bewegen.
Das sagte ich auch Abe Douglas.
Der hob nur die Schultern. »Weißt du, John, Las Vegas polarisiert. Entweder mag man die Glitzerwelt oder man mag sie nicht. Und trotzdem zieht sie die Massen an wie ein in der Sonne liegendes Stück Fleisch die Maden und die Fliegen. Dagegen kannst du nichts tun, und fast jeder Farmer aus dem Mittleren Westen ist happy, wenn er die Chance bekommt, hier zu sein, um den Leuten daheim zu erzählen, wie toll es doch ist, sich in solch einer Kunstwelt zu bewegen.«
»Soll er.«
Abe lachte. »Du brauchst hier ja nicht zu bleiben. Wenn unser Job erledigt ist, sind wir weg.«
»Das hoffe ich stark.«
Zum Glück konnten wir frühstücken, ohne von irgendwelchen Automaten belästigt zu werden. Es war noch recht früh. Trotzdem waren wir nicht allein unterwegs. Der große Raum war bereits zur Hälfte gefüllt. Die Leute aßen sehr schnell und konnten es kaum erwarten, wieder an die Spieltische zu gelangen.
Mir fiel auf, dass Abe Douglas öfter auf seine Uhr schaute.
»Hast du es eilig?«
»Nein, das nicht. Ich habe hur mit einem Kollegen gesprochen, der bald hier eintreffen sollte.«
»Und weiter?«
Abe lächelte, als er seinen mit Ahornsirup bedeckten Pfannkuchen zerteilte. »Wir brauchen Unterstützung, John, da bin ich mir sicher. Es geht nicht anders. Wir müssen nach den Wölfen suchen, denn ich gehe davon aus, dass sie schon in der Stadt sind.«
»Ja, das ist wohl wahr.« Ich hob meine Tasse an und trank einen Schluck Kaffee.
»Mehr sagst du nicht, John?«
»Doch, doch, ich denke nur nach.«
»Über was genau?«
»Stella.«
»Gut. Und weiter?«
»Ich denke nicht, dass sie ihren eigenen Weg gehen wird. Sie hat zwar davon gesprochen, dass sie ihren Vertrag einhalten will, und das nehme ich ihr auch ab, aber ich glaube nicht, dass sie ihre Schwester dabei
Weitere Kostenlose Bücher