164 - Der Todessarkophag
Abendessen tauchte Virgil Fenton auf, der breit grinsend vor uns stehen blieb.
„Ich weiß jetzt, weshalb Phillip nicht wollte, daß ihr über Paris nach Santiago fliegt."
Erwartungsvoll blickten Coco und ich ihn an.
„Vor einer Stunde beschlossen die französischen Fluglotsen einen eintägigen Warnstreik", sagte Virgil. „Der morgige Flug nach Chile entfällt daher."
Ich lächelte erleichtert. Wir hatten an eine Entführung oder einen Absturz gedacht, doch auf diese naheliegende Möglichkeit wäre ich nie gekommen. Wieder einmal bedauerte ich es, daß man mit Phillip keine normale Unterhaltung führen konnte.
Rebecca hatte deutlich den Tod eines der Fledermausgeschöpfe miterlebt, es war ihr, als spürte sie selbst die Hiebe. Für ein paar Augenblicke war sie wie gelähmt. Bevor sie sich einen Teil von Toths Fähigkeiten angeeignet hatte, war ihre Bindung zu den Fledermauswesen viel stärker gewesen. Das hatte sich seither entscheidend geändert.
Eric hockte über ihr und sorgte sich um sie.
Werde sofort unsichtbar, Eric, dachte sie. Und verschwinde!
Aber die Bestien werden dich töten, Herrin!
Gehorche, Eric!
Widerstrebend wurde das Vampirgeschöpf unsichtbar, dann flog es zur Seite, und die schemenhaften Gestalten erstarrten mitten in der Bewegung.
Rebecca blieb ruhig liegen. Ihre Vermutung stellte sich als richtig heraus, die blutgierigen Monster ignorierten sie. Ganz offensichtlich war Rebecca für sie nicht vorhanden.
Mit ihren nackten, eiskalten Fußsohlen berührten sie kurz ihren Körper, dann rannten sie auf das Dorf zu, und Rebecca setzte sich auf. Ein wenig benommen war sie noch immer.
Die von Eric zu Hilfe gerufenen Riesenfledermäuse kamen rasch näher, doch Rebecca scheuchte sie zurück. Nun hatte sie auch Gedankenkontakt mit den drei Geschöpfen, die in der Wüste gelandet waren. Sie waren verwirrt und erschreckt, doch Rebecca beruhigte sie, während sie weiterhin das Dorf nicht aus den Augen ließ.
Die ärmlichen Häuser waren von einer magischen Glocke umgeben, die Rebecca viel zu spät bemerkt hatte. Früher hätte sie das nicht überrascht, doch mit ihren neuen Kräften hätte ihr so ein solches Lapsus nicht unterlaufen dürfen. Sie war unvorsichtig gewesen, und das hatte eines ihrer Geschöpfe mit dem Tod bezahlt. Das war unverzeihlich gewesen und stellte für sie eine eindringliche Warnung dar, in Zukunft nicht mehr so selbstsicher und leichtsinnig zu agieren.
Nun stand Rebecca auf. Eric flog auf sie zu, landete auf ihrer Schulter und rieb den häßlichen Schädel glücklich an ihrer Wange.
„Laß das", sagte sie abweisend.
Eine ähnliche magische Glocke hatte sie nie zuvor gesehen, für sie stand fest, daß sie keinesfalls von einem Mitglied der Schwarzen Familie errichtet worden war. Das war eine Magie, die ihr völlig unbekannt war. Rebecca war äußerst gespannt, wie die drei Zombies darauf reagieren würden.
In diesem Augenblick rasten die drei Untoten fast gleichzeitig gegen die unsichtbare Wand, die ein wenig nachgab, jedoch die ungestümen Bewegungen der Biester verlangsamte. Ihre Arme und Beine bewegten sich wie in Zeitlupe, mühsam arbeiteten sie sich weiter vorwärts. Die Finger wurden feuerrot, und für einen Sekundenbruchteil strahlte die Glocke stahlblau und wurde dadurch sichtbar. Rebecca konnte deutlich fühlen, wie sich die unsichtbare Wand bewegte, sich ein Teil aus ihr löste und wie eine Art Tuch - oder Netz - über die drei Zombies fiel, die sich dagegen erbittert auflehnten. Aber da war eine Kraft freigeworden, gegen die es für die Schemengestalten keine Abwehr gab. Sie vollführten nun schwimmartige Bewegungen, die immer langsamer wurden und schließlich ganz aufhörten.
Es war, als hätte jemand die Stöpsel aus Schwimmreifen gezogen. Die drei mannsgroßen Bestien hüpften auf und ab, und dabei schrumpften sie unwahrscheinlich rasch. Es dauerte nicht einmal eine halbe Minute. Da waren sie zu unterarmlangen, leblosen Puppen geworden. Die Macheten waren von dieser Veränderung nicht betroffen. Die Glocke flimmerte noch ein paar Sekunden, dann löste sie sich einfach auf.
Eric stieß einen Warnschrei aus, und Rebecca wirbelte herum.
Ein hochgewachsener Indianer stand vor ihr. Sein volles Haar wurde im Nacken mit einer silbernen Spange zusammengehalten. Das handbreite Stirnband war mit Mondsymbolen bestickt. Das Gesicht konnte Rebecca kaum erkennen, denn es war über und über mit leuchtenden Erdfarben beschmiert, die auch seinen nackten Körper
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