164 - Der Todessarkophag
In der Familie war er als Macho-Patron bekannt und berüchtigt, eine Bezeichnung, die ihm durchaus gefiel.
Im Lauf der Jahre war er gealtert, sein Haar war weiß geworden, und er sah wie ein rüstiger Sechzigjähriger aus. Doch seine Ansichten hatten sich mit den Jahren kaum geändert, als gleichwertige Gesprächs- und Verhandlungspartner akzeptierte er nur Hexer, Magier und Zauberer. Auf alle anderen Arten von Dämonen blickte er nur verächtlich nieder.
Vor einer Woche war Elia Gereon in der Feste eingetroffen, und zwei Tage später hatte ihm zu Ehren Don Hermano ein rauschendes Fest gegeben, an dem fast alle erwachsenen Familienmitglieder des umfangreichen Clans teilnahmen. Der Munante-Clan gab sich nach außen hin natürlich geschlossen, doch die Rivalitäten untereinander waren groß.
Meist zogen sich Don Hermano und Elia Gereon tagsüber in die Bibliothek zurück, die sonst niemand betreten durfte. Hermano hatte diesen Raum zu seinem Refugium gemacht. An allen Wänden befanden sich Regale aus funkelndem Mahagoni, außer zu beiden Seiten des Kamins, wo zwei Vitrinen standen, die vollgestopft mit magischen Gegenständen aus allen Kulturepochen waren. Hier hingen die schönsten Bilder seiner riesigen Sammlung, und die Regale waren bis zur Decke mit Büchern und Kunstgegenständen gefüllt. Kostbare Perserteppiche lagen auf dem Eichenparkett.
Don Hermano und Elia Gereon saßen in mächtigen, mit schwarzem Leder bezogenen Sesseln, hielten bauchige Schwenker in den Händen, mit denen sie den fünfzigjährigen Cognac erwärmten, der langsam sein Bouquet entfaltete.
Vor wenigen Minuten hatte sich Zakum bei Don Hermano gemeldet und ihn darauf vorbereitet, daß Luguri mit ihm sprechen wolle.
„Der Erzdämon hat anscheinend während seiner langen Abwesenheit einiges dazu gelernt", sagte Don Hermano spöttisch. „Er bittet um ein Gespräch mit mir. Früher hätte er mich einfach zu sich zitiert. Ihn scheint der
Stern der Vernichtung
besonders stark getroffen zu haben, denn seit einigen Wochen habe ich nichts mehr von ihm gehört."
„Weshalb will er mit dir sprechen, alter Freund?"
„Keine Ahnung. Zakum deutete nicht einmal an, weshalb er mich sprechen will. Vermutlich will er mich für seine merkwürdigen Pläne gewinnen. Da findet er aber bei mir keine Unterstützung. Und in meine Angelegenheiten lasse ich mir nicht hineinreden."
Elia Gereon nickte bedächtig. „Was hältst du von Zakum?"
„Ein undurchsichtiger Halunke", antwortete Hermano ergrimmt. „Ein hinterhältiger Archivar, verschlagen und undurchschaubar. Die Kombination Luguri und Zakum will mir gar nicht gefallen. Ich traue beiden nicht. Aber wir müssen mit ihnen leben."
„Ja, das müssen wir. Seit dem Verschwinden der Janusköpfe und Skarabäus Toth hat sich nicht sonderlich viel in der Familie ereignet. Hat man eigentlich etwas von meinem alten Feind gehört?" „Angeblich soll er etwas mit dem Verschwinden der Janusköpfe zu tun gehabt haben", meinte Don Hermano und ließ einen Schluck Cognac genußvoll auf der Zunge zergehen. „Einige behaupten, daß er nach Malkuth zurückgekehrt sei. Ich hoffe, daß wir nie wieder etwas von ihm hören werden." „Das bedaure ich", sagte Elia Gereon heftig. „Die Nachricht von seinem Ende würde mich doch sehr erfreuen. Aber sprechen wir nicht von ihm, denn die Erinnerung ist äußerst schmerzvoll. Hast du für die nächste Zeit irgendwelche Pläne, Hermano?"
Der weißhaarige Dämon schüttelte den Kopf. „Dank deiner Hilfe und Ratschläge, mein lieber Gereon, habe ich mein Ziel erreicht. Ich herrsche über diesen Kontinent, das reicht mir."
„Du könntest es zum Herrn der Finsternis bringen."
Don Hermano lächelte. „Nein, danke. In diese Richtung entwickle ich keinen Ehrgeiz. Mir reichen schon die Streitereien innerhalb meiner Sippe und die anderen südamerikanischen Clans, die sich gelegentlich aufbäumen. Eigentlich bin ich zufrieden und glücklich."
„Träge und faul bist du geworden, mein Lieber."
Hermano schmunzelte. „Auf diese Bemerkung hin sollte ich dich eigentlich sofort aus meinem Haus jagen, jedoch hast du gar nicht so unrecht. Entschuldige mich jetzt für ein paar Minuten. Luguri wird sich gleich bei mir melden."
Vor einem Regal blieb Hermano stehen und hob beide Hände hoch. Der Bücherschrank löste sich von der Wand und glitt zur Seite. Nun war ein mannshoher, kahler Gang zu sehen, den Hermano Munante betrat. Hinter ihm schloß das Regal die Öffnung. Der Gang endete in
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