1644 - Angriff der Halbvampire
nichts. Das war ihm von der Natur gegeben.
Seine Kleidung hatte er schon bereit gelegt. Sie hing über dem Stuhl, der nahe des alten Ofens stand.
Es waren der schwarze Umgang, die eng anliegende Jacke und die ebenfalls dunkle Röhrenhose. Seine Kleidung für das zweite Leben.
Er wollte nicht rausgehen und einsame Plätze aufsuchen. Er wollte einfach nur in der kleinen Wohnung bleiben und warten, bis er sich erholt hatte. Stärke finden, das war für ihn sehr wichtig. Erst dann konnte er sich wieder um seinen Job kümmern.
Er wollte den Bericht schreiben, das hatte er sich fest vorgenommen.
Zum Glück hatte man ihm keinen Termin gesetzt, sodass er sich Zeit lassen konnte.
Er strich die Kleidung glatt, holte tief Luft und fühlte sich sofort besser.
Eigentlich hatte er vorgehabt, sich an den Laptop zu setzen, um zu recherchieren, doch das ließ er jetzt bleiben. Vielleicht am Abend, wenn er wieder gut drauf war.
Jetzt aber trat er ans Fenster und schaute nach draußen.
Barry Cain lebte in keiner guten Wohngegend. Wenn er nach draußen schaute, dann auf die Gleise, die unter ihm lagen. Dahinter wuchs eine Böschung hoch, die von den Rückseiten zahlreicher Mietskasernen überragt wurde. Darauf konnte er nicht stolz sein, aber er war froh, in dieser Bude zu leben, denn die Miete war nicht besonders hoch.
Der Himmel über London zeigte Wolken. Sie verteilten sich auf einer blauen Fläche, und man konnte von einem schönen Herbsttag sprechen.
Das interessierte ihn nicht. Seine Gedanken wanderten in eine andere Richtung. Um sich richtig zu erholen, brauchte er die ganz andere Umgebung, die Dunkelheit eines Kellers.
Den gab es in diesem Haus. Zur Wohnung gehörte ein Kellerraum, den er als Archiv nutzte. Man konnte wegen der Feuchtigkeit die Unterlagen dort nicht zu lange lagern, weil sie sonst Schimmel ansetzten, aber für eine Weile ging das schon.
Dort fühlte sich Barry am wohlsten, denn an den Wänden hingen seine Fotos, die er in seiner Freizeit geschossen hatte. Es waren die Aufnahmen von verschiedenen Friedhöfen, die er besichtigt hatte. Und dort vor allen Dingen die dunklen Orte.
Barry wollte dem Tod immer nahe sein, doch nicht so, wie er es in der vergangenen Nacht erlebt hatte. Da war etwas passiert, was einen Bruch in ihm hinterlassen hatte, und der musste geheilt werden.
Seine Umgebung, die Ruhe des Kellers, sich in eine Trance zu versetzen, Trauer und Glück zu erleben und entsprechende Musik über sein iPod zu hören, das brauchte er jetzt.
Und er machte sich auf den Weg. Er verließ die Wohnung im ersten Stock und hatte bald die Tür erreicht, die zum Keller führte. Gesehen hatte ihn niemand, was ihm auch egal war. In London liefen genug verrückte Typen herum, da fiel er nicht auf.
Von ihm lagen die Stufen. Schon recht ausgetreten, sodass es sicherer war, wenn er sich am Gelände festhielt. Er fühlte die Kälte des Stahls an seiner Handfläche und sah das trübe Licht der Deckenleuchte.
Er ließ die Treppe hinter sich und erreichte den Gang, der den Keller in zwei Hälften teilte. Zu beiden Seiten befanden sich die Türen zu den dahinter liegenden Räumen. Sie sahen alle gleich aus und waren sogar recht massiv.
Sein Keller lag auf der rechten Seite. Es war die drittletzte Tür in der Reihe, die er aufschloss und dann den Raum betrat.
Er zog die Tür wieder zu, schloss aber nicht ab, sondern zog sie nur an.
Dann machte er Licht. Strom gab es hier unten. Nur wurde sein Keller nicht von einer Deckenleuchte erhellt, sondern von einer Kugellampe, die auf einem alten Stuhl stand. Das Licht war auch nicht besonders hell, es erinnerte mehr an eine Totenleuchte auf einem Grab.
Der Raum war nicht sehr groß, aber er bot Platz genug für einen alten Sessel, der mit schwarzem Cordstoff bezogen war.
Es war sein Platz.
Er ließ sich in den Sessel fallen.
Vor ihm stand ein Tisch. Auf ihm lagen ein Messer, das er auf einem Friedhof gefunden hatte und für ihn so etwas wie ein Kultgegenstand geworden war. Daneben hatte er einen echten Totenschädel gestellt. Den hatte ihm eine Freundin mal zum Geburtstag geschenkt.
Alter Staub bedeckte alles. Auch die Wände und die dort hängenden Fotos mit den Friedhof Motiven. Wenn er sie anschaute, überkam ihn eine große Ruhe und Sicherheit. Es war eben sein Hobby, sein zweites Leben und nicht die Realität. Die allerdings hatte sich für ihn auf den Kopf gestellt, denn was er auf der Insel erlebt hatte, war für ihn bisher nicht zu verkraften
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