1645 - Blutsturm
John!«
Die Stimme war in meinem Rücken aufgeklungen. Ich wusste auch, wer gesprochen hatte, und wusste, dass Will Mallmann sein Ziel fast erreicht hatte…
***
Ich ließ mir Zeit mit dem Umdrehen und sorgte zunächst dafür, dass ich innerlich stärker wurde. Ich schluckte den bitteren Speichel, atmete noch mal tief durch und drehte mich mit einer langsamen Bewegung um, die aufhörte, als ich Will Mallmann ins Gesicht schaute.
Er brauchte nichts zu sagen, nichts zu erklären. Ich wusste genau, was unser Treffen bedeutete.
Mallmann wollte es beenden. Lange genüg war der Kampf zwischen uns hin und her gegangen. Wie viele Male hatte ich eine Entscheidung herbeiführen wollen! Und immer wieder war es Mallmann gelungen, dem zu entgehen.
An diesem Ort und auf dieser Insel aber sah es so aus, als gäbe es für uns beide keinen Ausweg mehr.
Der Gedanke daran trieb mir Schauer über den Rücken. Ich versuchte nur, mir meinen inneren Zustand nicht anmerken zu lassen, was schwer genug war.
Selbst Justine Cavallo hielt sich mit irgendwelchen Kommentaren zurück. Auch sie spürte das Spannungsfeld zwischen uns beiden und hörte Mallmann sagen: »Ich werde auch sie vernichten, John. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich aufräumen und die Weichen für die Zukunft stellen werde. Erst dich, John, dann werde ich sie verbrennen, und auch dein Freund Suko wird dran glauben müssen. Danach werde ich mir diejenigen vornehmen, die noch zu eurem Kreis gehören. Ich kann dir auch sagen, dass ich nicht allein bin. Ich habe neue Helfer. Du hast sie erlebt, und denke nur nicht, dass sie sich alle auf dieser Insel befinden. Ich hatte Zeit genug, um einiges in die Wege zu leiten, aber das werden du und deine Freunde nicht mehr mitbekommen.«
»So sieht also deine Version aus.«
»Und deine?«
Ich hob die Schultern. »Kampflos werde ich nicht aufgeben. Das weißt du.«
Er nickte. »Klar, damit habe ich gerechnet. Aber dein Kreuz wird dir nicht helfen. Ich lasse es nicht dazu kommen, dass du es hervorholst. Ich weiß, dass du darauf setzt, aber ich habe das hier bei mir, und das schützt mich.«
Er griff in die rechte Tasche seiner Jacke und holte einen Gegenstand hervor, den ich seit Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte.
Es war der Blutstein, der wie ein rot leuchtender Kristall in seiner Hand lag und für Mallmann einen so großen Schutz darstellte.
»Du siehst, ich habe ihn noch immer.«
Ich nickte nur, denn sprechen konnte ich nicht. Zu viel war schon geschehen, was sich um diesen Stein gedreht hatte. Er war das Vermächtnis des Vlad Dracula, des echten, und durch ihn hatte Mallmann seine übermächtige Kraft erhalten. Gefunden hatte ich ihn damals in einem alten Brunnenschacht. Er hatte mir nicht viel eingebracht, ich hatte ihn damals abgeben müssen, um meine Mutter aus Mallmanns Gewalt zu befreien. Er war so ungeheuer stark, dass er selbst meinem aktivierten Kreuz standhielt.
Die Vorteile lagen auf Mallmanns Seite. Große Chancen hatte ich nicht.
Das wusste Mallmann, und jetzt glaubte ich ihm auch, dass er gekommen war, um reinen Tisch zu machen.
»Du willst mein Blut trinken?«, fragte ich ihn.
»Es wäre das Höchste für mich. Ich hätte auch nichts dagegen, wenn du auf eine andere Weise aus dem Leben verschwindest. Wichtig ist nur, dass es dich nicht mehr gibt.«
Meine Gedanken wirbelten. Ich suchte fieberhaft nach einem Ausweg.
Was passierte, wenn ich Mallmann angriff und ihm Mareks Pfahl in die Brust rammte?
Er würde eine Wunde hinterlassen, ihn aber nicht töten, denn der Blutstein in seiner Hand schützte ihn.
Gab es für mich noch eine Chance?
Verdammt noch mal, ich hatte noch nie aufgegeben. Mir war immer etwas eingefallen, und so dachte ich auch jetzt. Ich wollte mich hier nicht fertigmachen lassen, aber ich wusste auch, dass Mallmann nur darauf wartete, dass ich ihn angriff.
Den Gefallen tat ich Dracula II nicht. Ich reagierte völlig entgegengesetzt, denn ich drehte mich um und zeigte ihm meinen Rücken, als ich auf Suko zuging.
»Wo willst du hin, Sinclair?«
»Ich möchte sehen, ob du Suko umgebracht hast.«
»Nein, er lebt noch. Leider.«
»Davon will ich mich selbst überzeugen.«
»Ich lüge nicht, Sinclair.« Auf seine Worte ging ich nicht ein. Noch ein Schritt und ich hatte Suko erreicht, ging neben ihm in die Knie und war froh, dass er auf der Seite lag.
In den letzten Sekunden hatte sich in meinem Kopf ein irrsinniger Gedanke festgesetzt. Ich wollte selbst nicht näher
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