1645 - Blutsturm
Bäumen.
Er war bereit.
Es würde, nein, es musste passieren. Nur einer dufte übrig bleiben. Und das war er…
***
»Dir geht es mies, Suko, wie?«
»Es ist mir schon mal besser gegangen.«
»Da können wir uns die Hand reichen.« Justine bewegte sich innerhalb des Netzes, sodass es wieder leicht zu schwingen begann. »Ich komme hier nicht weg und kann die dicken Fäden nicht durchbeißen. Deshalb frage ich dich, ob du nicht endlich damit anfangen willst, mich zu befreien, Du musst nur in den Baum klettern.«
»Hast du sonst noch Wünsche?«
»Komm, das schaffst du. Denk daran, dass Mallmann nicht wirklich abgetaucht ist. Ich kenne ihn, der kommt zurück und wartet nur auf eine günstige Gelegenheit.«
Suko musste zugeben, dass Justine recht hatte. Normalerweise wäre ihre Befreiung auch kein Problem gewesen. Nur in seinem Zustand nicht.
Er war wirklich hart und auch völlig überraschend erwischt worden, und das auszugleichen hatte er noch nicht geschafft.
Wenn er näher über seine Situation nachdachte, dann war etwas völlig Verrücktes eingetreten. John, Justine Cavallo und er waren losgezogen, um den Angriff der Halbvampire zu stoppen und - wenn möglich - auch Dracula II zu vernichten. Und jetzt?
Beinahe hätte er gelacht, das unterdrückte er jedoch. Es war verrückt und nicht zu fassen. Justine Cavallo in einem Netz gefangen, aus dem sie sich nicht von eigener Hand befreien konnte. Und er war angeschlagen wie selten in seiner Laufbahn zuvor.
Der Einzige, der sich noch normal bewegen konnte, war John Sinclair.
Und natürlich Will Mallmann.
Suko musste gar nicht weit im Voraus denken, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass alles so gelaufen war, wie Mallmann es sich vorgestellt hatte.
Dass er seine neuen Verbündeten verloren hatte, okay, so etwas tat man als Kollateralschaden ab. Das ging schon irgendwie in Ordnung, denn dadurch war er seinem Ziel näher gekommen.
Er gegen John Sinclair!
Der Kampf Mensch gegen Vampir. Die endgültige Entscheidung!
Suko, der so leicht nicht durcheinanderzubringen war, musste schon schlucken. So war es also. Damit musste er sich abfinden. Es würde zu einer Entscheidung kommen, denn darauf hatte es Dracula II angelegt, und er würde gewinnen. Er würde versuchen, John Sinclair keine Chance zu lassen.
Als Suko daran dachte, hätte er beinahe gelacht. Aber die barsche Stimme der Vampirin störte ihn.
»He, willst du nicht?«
Ein tiefer Atemzug. Damit kämpfte Suko gegen den leichten Schwindel an, der sich verstärken würde, wenn er auf den Beinen stand. In seinem Zustand auf den Baum zu klettern und das Seil zu lösen, das war ihm beim besten Willen nicht möglich.
»Ich kann nicht…«
Zuerst geschah nichts. Dann fing die Cavallo an zu lachen. Danach glich ihre Antwort einem Schrei.
»Wieso kannst du das nicht? Willst du mich verarschen? Willst du, dass Mallmann gewinnt?«
»Nein, verdammt!«
»Dann los!«
Suko fühlte sich herausgefordert. Letztendlich wusste er, dass sie nicht unrecht hatte.
»Du kannst es doch versuchen«, lockte sie ihn.
Ja, das wollte er. Suko war über sich selbst sauer. Aber in den Baum zu klettern…
Egal, er stemmte sich hoch. Nicht so geschmeidig wie sonst, in diesem Fall glich er eher einem alten Mann, der nur mit Mühe auf die Beine kam.
Und als er stand, musste er gegen den Schwindel ankämpfen, der zum Glück nicht so stark war, dass er ihn von den Beinen geholt hätte.
Suko besaß eine gute Konstitution. Er erholte sich auch wieder und drückte seinen Rücken durch.
»Ha, geht doch!«, rief die Cavallo.
Suko antwortete nicht. Ja, es ging, aber es ging nicht gut. Er ärgerte sich über einen Schweißausbruch. Er biss die Zähne zusammen, saugte die Luft durch die Nase ein und konzentrierte sich auf die Blutsaugerin, die im Netz hing wie ein gefangener Fisch.
Um ihn herum lagen die Toten. Suko kam sich vor wie auf einem kleinen Schlachtfeld, das er überqueren musste. Noch immer produzierten seine Poren Schweiß. Die Umgebung zeichnete sich jedoch klar vor seinen Augen ab und er schwankte nicht, sodass er sich eingestand, dass es ihm besser ging als befürchtet.
Justine Cavallo hatte sich gedreht und starrte ihm entgegen. An ihrem Blick war zu erkennen, dass sie nicht so richtig an ihre Befreiung glaubte.
Der Inspektor drehte dem Haus seinen Rücken zu. So sah er nicht, was dort geschah. Aber Justine Cavallo sah es. Sie bemerkte die Bewegung in der Luft und hoch über dem Hausdach, als befände sich dort ein
Weitere Kostenlose Bücher