1647 - Der letzte Schlag
Fulgen nannte Jimmerin „Das Nervenzentrum des Antiterror-Kommandos". Es war ihm von Anfang an klar gewesen, daß er hier nicht nur die modernste Technik einbauen, sondern auch die besten Fachkräfte versammeln mußte, die das Reich zu bieten hatte. Die Mehrzahl der Techniker und Wissenschaftler, die auf Jimmerin arbeiteten, war von Fulgen persönlich ausgesucht worden. Es war ihm manch guter Fang gelungen. Eine besonders glückliche Hand hatte er bewiesen, als es ihm gelang, Nadu Imeiri dazu zu überreden, daß sie Mitglied des ATK wurde.
Wie ein Lauffeuer hatte es sich im Innern des Asteroiden herumgesprochen, daß Nadu die Lösung eines Problems gelungen war, an dem sich anerkannte Koryphäen der arkonidischen Wissenschaft erfolglos die Zähne ausgebissen hatten. Nadu hatte eine Methode entwickelt, mit der entschieden werden konnte, ob es sich beim Erlöschen der Hyperraum-Parese um einen vorübergehenden oder einen permanenten Effekt handelte. Die Methode trug mittlerweile Nadus Namen: die Imeirische Spektralspuranalyse. Auf Jimmerin - und nicht nur dort - rechnete man fest damit, daß Nadu aufgrund ihrer hervorragenden Leistung bald zum Rang eines Wissenschaftlers ersten Grades befördert werden würde.
Mittlerweile hatte die in wissenschaftlichen Ruhm Gebadete jedoch ein paar andere Sorgen. Tupar Huaynac hatte sich wieder gemeldet - nicht persönlich, sondern per Bordkom und durch Nachrichten, die er in ihrem privaten Speicherbereich im Posisyntron-Verbund hinterließ.
Tupar hatte, wie es schien, eine gewisse Zuneigung zu Nadu Imeiri entwickelt. Und sooft sie ihn auch zurückwies, sooft sie ihm klarzumachen versuchte, sie sei nicht an ihm interessiert - er ließ nicht locker. Im Gegenteil. Seine Liebesbezeigungen wurden aufdringlicher und eindeutiger.
Die erste Mitteilung, die sie an diesem Tag auf dem Stack vorfand, war wiederum von Tupar. Sie wollte sie ungesehen löschen, aber im letzten Augenblick gewann doch die Neugierde die Oberhand. Sie ließ sich den Text vorspielen. „Betrifft Gleichungssystem (21) im Bereich 15 bis 20 Kilobytes deiner Aufzeichnungen. Ich glaube, mit Hilfe des Alzalschen Operators läßt sich eine Lösung in geschlossener Form erzielen."
Ein wenig verwundert dachte Nadu über Tupars Vorschlag nach. Hatte er wirklich etwas Brauchbares gefunden, oder hatte er nur seine Annäherungsversuche auf die wissenschaftliche Schiene rangiert, weil er mit der bisherigen Methode keinen Erfolg hatte?
Die Idee, die er in seiner Mitteilung vorbrachte, war nicht ohne weiteres als Unsinn abzutun, obwohl sie recht abenteuerlich klang. Der Alzalsche Operator war ein Rechenmechanismus, mit dem sich außer den theoretischen Mathematikern fast niemand beschäftigte. Angeblich gab es gewisse Probleme der fünfdimensionalen Mathematik, die sich leichter lösen ließen, wenn man sie so behandelte, als wären sie Sonderfälle eines in Wirklichkeit sechsdimensionalen Problems. Bei dieser Vorgehensweise kam der Alzalsche Operator ins Spiel. Er bewirkte unter anderem, daß bei korrekter Lösung alle Parameter der sechsten Dimension sich gegenseitig aufhoben und die Rechenaufgabe somit wieder auf die ursprüngliche 5-D-Struktur reduziert wurde.
Je länger Nadu darüber nachdachte, desto mehr war sie von Tupars Vorschlag fasziniert. Sie setzte sich an die Konsole in ihrer Wohnung und holte die Daten und Formeln zusammen, die sie für ihren Rechenversuch brauchte. Dann formulierte sie das Gleichungssystem (21) so um, wie Tupar Huaynac vorgeschlagen hatte, und überließ dem Computer die eigentliche Rechenarbeit.
Kurze Zeit später wußte sie, daß Tupar recht hatte. Mit seiner Methode ließ sich eine geschlossene Lösung des Gleichungssystems erzielen. Nadu dagegen hatte bisher mit Näherungslösungen und numerischen Methoden arbeiten müssen.
Die Verwendung des Alzalschen Operators änderte am Endresultat nichts. Aber sie übertraf die bisher angewandte Rechenweise an Eleganz, und vor allen Dingen verkürzte sie die Computerrechenzeit um einen Faktor zehn.
Nadu überlegte lange, wie sie reagieren sollte. Sie mußte Tupar irgendeine Nachricht zukommen lassen und sich bedanken.
Aber welche Worte sollte sie verwenden? Schließlich entschied sie sich für die folgende Formulierung: „Besten Dank, Kollege. Wenn es zur Veröffentlichung kommt, wird dein Name an prominenter Stelle erscheinen."
Dann begab sie sich in die Kommandozentrale. Barro Nurtian, den sie hatte sprechen wollen, war nicht anwesend. Man
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