1647 - Engelstadt - Höllenstadt
prallte. Das bedeutete zugleich das Ende ihrer Aktion, bevor sie richtig begonnen hatte.
Diesmal spürte sie den Schmerz nicht nur im Kopf. Auch der Rücken fühlte sich an, als wäre er in der Mitte durchgebrochen. Die kleine Welt um sie herum verwandelte sich in ein Chaos.
Sie bekam nichts mehr mit und stand dicht davor, erneut die Bewusstlosigkeit zu verlieren.
Doch sie war hart im Nehmen, und sie schaffte es, gegen diese Schatten anzukämpfen. Aber sie war wehrlos. Aus eigener Kraft war es ihr nicht möglich, sich zu erheben. Sie saß und kam sich vor wie auf den Planken eines schwankenden Boots.
Ihr Gehör hatte ebenfalls gelitten. Aber es war noch nicht ausgeschaltet worden. So bekam sie die Laute mit, die sie umgaben. Was sich vor ihr abspielte, glich mehr einem Schattentheater, denn ein genaues Sehen war ihr nicht möglich.
Heftige Bewegungen dreier Personen. Sie hörte auch die hellen Schreie des Engels Livia, die zur Beute der beiden Gestalten geworden war und jetzt nicht mehr fliehen konnte.
»Neiinnn - neiiiinnn…«
Es hatte keinen Zweck. Alles Schreien brachte Livia nichts ein, und sie besaß auch nicht die körperliche Kraft, sich gegen die harten Griffe der Nephilim zu wehren.
Carlotta kämpfte weiterhin mit sich selbst. Mit einer gewaltigen Anstrengung riss sie sich zusammen. Sie musste auf die Füße kommen.
Möglicherweise konnte sie noch etwas retten.
Die Schmerzen unterdrückte sie. Ihr Wille war ungemein stark, und sie schaffte es tatsächlich, sich in die Höhe zu stemmen. Nur war ihr Körper so ungeheuer schwer, und genau dieses Gewicht ließ es nicht zu, dass sie einige Schritte ging.
Nur einen Schritt, dann stolperte sie nach vorn. Die Kräfte verließen sie und sie sackte zusammen.
Das Vogelmädchen fiel auf den Bauch. Soeben schaffte sie es noch, sich abzustützen, sodass ihr Gesicht unbeschadet blieb. Sie hob den Kopf an, denn sie wollte sehen, was da vor sich ging.
Weit riss sie die Augen auf und konnte den Schleier trotzdem nicht vertreiben. Er war jedoch nicht so dicht, als dass sie das Geschehen nicht mitbekommen hätte.
Die beiden Nephilim hatten Livia in die Zange genommen und ließen ihr nicht den Hauch einer Chance zur Befreiung. Sie befand sich zwischen ihnen und war an den Handgelenken gepackt worden. Dann hatte man ihre Arme in die Höhe gedrückt und sie so gebogen, dass eine falsche Bewegung einen irren Schmerz hinterlassen hätte. Das war der berühmte Polizeigriff, und der war bei Livia gleich doppelt angesetzt worden.
Es war aus mit ihr, und Carlotta hörte auch keine Schreie oder ein Jammern. Die Situation hatte Livia stumm werden lassen.
Die Nephilim schleiften sie durch die Tür in den Gang.
Auf dem Bauch liegend wurde Carlotta Zeugin. Für einen Moment hoffte sie, dass die Tür nicht geschlossen wurde, doch die Hoffnung zerplatzte gleich darauf. Mit einem Fußtritt wurde die Tür wieder zugekickt.
Livia und die Nephilim waren verschwunden.
Es kam Carlotta vor, als hätte man einen Film, der ihr gezeigt wurde, mittendrin einfach abgeschnitten.
Sie war jetzt allein.
Sie lag auf dem Boden.
Sie war schwach, fertig mit der Welt.
Und es kam noch eine andere Schwäche hinzu. Sie war nicht mehr in der Lage, sich innerlich aufzubauen. Für sie war es grauenhaft, und sie fühlte sich in ihrer Lage so gedemütigt.
Flach auf dem Boden liegend saugte sie den Atem heftig ein und stieß ihn ebenso heftig wieder aus.
Die Welt hatte sich für sie verändert. Aus der Siegerin war eine Verliererin geworden, auch wenn sie jetzt noch allein gelassen worden war. Aber sie wusste, dass dies nicht so bleiben würde, denn die schrecklichen Geschöpfe würden sich nicht mit einem Opfer zufriedengeben.
Obwohl es in diesem Verlies nicht dunkel war, erlebte Carlotta Augenblicke einer tiefen Verlassenheit, als hätte man sie in eine finstere Kammer gesperrt, aus der es kein Entkommen gab. Sie fühlte sich schon jetzt tot, obwohl sie lebte.
Und doch war der Wille vorhanden, etwas zu tun. Zwar schwach, aber immerhin. Sie musste ihn nur aktivieren und dafür sorgen, dass er stärker wurde als ihre körperliche Schwäche.
Aus ihrem offenen Mund drang ein scharfes Geräusch, als sie die Arme anwinkelte und sich so in eine hockende Position brachte. Jetzt musste sie sich nur noch hochstemmen. Normalerweise eine Kleinigkeit, was in ihrem Fall nicht zutraf, denn sie dachte an ihren Rücken, in dem immer noch ein scharfer Schmerz wühlte.
Es war wahnsinnig schwer für sie, ihren
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