1647 - Engelstadt - Höllenstadt
Körper auch nur um eine Winzigkeit anzuheben, aber sie gab nicht auf und kam Stück für Stück in die Höhe. Sie hörte sich leise schreien, bis sie kniete und das als einen Erfolg verbuchte.
Den Blick hielt sie auf die Tür gerichtet. Natürlich war sie starr, doch für Carlotta bewegte sie sich leicht hin und her.
Das Vogelmädchen brauchte Zeit, um wieder klar sehen zu können.
Gegen ihren Rücken schien vom Hals bis zum Hinterteil ein Brett zu drücken.
Einen Vorteil sah sie für sich. Ihre Flügel waren nicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Das brachte ihr im Moment aber nicht viel. Es war jetzt erst einmal wichtig für sie, auf die Füße zu gelangen und erste Gehversuche zu unternehmen.
Sie spürte die Schmerzen im Rücken, die stärker waren als die im Kopf.
Gegen alle Widerstände raffte sich Carlotta auf und schraubte sich hoch.
Die linke Wand war nicht zu weit entfernt und diente ihr als Stütze.
Endlich stand sie - und musste erleben, dass sich das Verlies vor ihren Augen drehte.
Es war wie ein Kreisel, in dessen Mitte sie stand. Sie musste gegen eine starke Übelkeit ankämpfen und wunderte sich darüber, dass es sie nicht von den Beinen riss.
Carlotta war froh, die Wand als Halt zu haben. Dabei blieb es auch, als sie losging. Zuerst zur Tür. In ihrem Kopf hatte sich eine wahnsinnige Vorstellung gebildet. Sie erinnerte sich daran, gehört zu haben, dass die Tür von außen nicht abgeschlossen worden war. Es war nur eine winzige Hoffnung, und sie wollte wissen, ob sie sich bewahrheitete.
Dass die Tür keine normale Klinke hatte, hatte sie schon gesehen.
Möglicherweise konnte sie sie aufdrücken, was sich als Farce erwies, denn als sie sich gegen die Tür stemmte, bewegte sich dort nichts.
Carlotta lehnte sich dagegen. Ihre Hoffnung verrann und nahm ihr dabei die Kraft. Am liebsten wäre sie zusammengesunken, um nichts mehr zu hören und zu sehen. Auch für ihre Kraft gab es irgendwann mal ein Ende.
Gegen die Tür gelehnt blieb sie stehen. Jetzt wollte sie darauf warten, dass der Schmerz und die damit verbundene Erschöpfung nachließen, aber das konnte dauern. Viel Zeit hatte sie nicht. Es war ihr klar, dass man sie nicht in Ruhe lassen würde. Wahrscheinlich wollte man mit ihr einen besonderen Spaß haben.
Carlotta hielt den Kopf gesenkt. Sie sah erschöpft aus, war ein Schatten ihrer selbst, als sie sich in gekrümmter Haltung gegen die Tür lehnte. Sie sah nicht so aus, als könnte sie noch irgendetwas aufnehmen, und schien auf den Zeitpunkt des endgültigen Zusammenbruchs zu warten.
Der ließ noch auf sich warten, denn etwas anderes kam ihr dazwischen.
Es war ein Ereignis, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Aber es geschah nicht in ihrer Nähe, sondern draußen, außerhalb der Mauern. Da hörte sie plötzlich die Stimmen.
Oder war es Geschrei?
So genau fand sie es nicht heraus. Nur wusste sie, dass dort etwas vorging, was sie zwar nicht unmittelbar berührte, aber sie dachte daran, was mit Livia geschehen war. So brachte sie die Veränderung mit ihrer Entführung in Zusammenhang.
Um etwas zu sehen, musste sie zum Fenster. Eine kurze Strecke nur, einfach lächerlich im Normalfall, aber hier war nichts mehr normal. Ein Kind, das Laufen lernt, hätte sich besser bewegen können als sie.
Trotzdem musste sie hin. Es war ein innerlicher Drang, der sie dazu trieb.
Carlotta riss sich noch mal zusammen, bevor sie sich in Bewegung setzte.
Ja, es ging. Wenn auch unter Schmerzen, aber sie gab nicht auf und kam ihrem Ziel immer näher. Der Schweiß rann in Strömen über ihr Gesicht und sorgte zudem dafür, dass die Kleidung an ihrem Körper klebte.
Sie war fast da, als sie die rechte Hand ausstreckte und es schaffte, einen Gitterstab zu umklammern. In diesem Augenblick hatte sie so etwas wie ein positives Gefühl. Um direkt ans Fenster zu gelangen, zog sie sich voran und fasste mit der zweiten Hand nach.
So konnte sie normal stehen und auch auf den Beinen bleiben. Der Blick nach draußen war ihr gestattet, auch wenn sie sich darüber ärgerte, dass ihr die Stäbe einen Teil der Sicht nahmen. Sie hatte das Beste aus ihrer Situation gemacht. Sie zog sich näher an die Stäbe heran, um einen optimalen Blickwinkel zu haben.
Sie hatte den Lärm gehört, aber noch nichts gesehen. Nun ja, es war auch kein richtiger Lärm gewesen. Man konnte es als ein mehrstimmiges Schreien ansehen.
Carlotta schaute nach unten in die Arena. Da hatte es eine Veränderung gegeben. Zwar waren die Leichen
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