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1648 - Die Spiegelgeborenen

Titel: 1648 - Die Spiegelgeborenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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mit den Augen. Und Mila antwortete daraufhin ebenso. Sie verständigten sich ganz ohne Worte, und sie waren sich in ihrer stummen Absprache völlig einig.
    Sie waren eins. Zusammengeschweißt. Unzertrennlich.
    Der Junge merkte nichts davon. Ahnungslos bewegte er sich weiterhin zaghaft auf die beiden Mädchen zu, um sie als Spielgefährtinnen zu gewinnen. Als er die Hand hob und damit Mila vorsichtig an der Schulter berührte, fuhren beider Köpfe in seine Richtung. Sie funkelten ihn an. Es war, als sandten sie ihm Blitze aus purer Feindseligkeit. Dann zischte Mila ihm irgend etwas zu, und der Junge lief schluchzend davon.
    Saira wagte es erst Tage danach, Mila zu fragen, was sie dem Jungen Schreckliches ins Gesicht geschleudert hatte. „Fremdkörper", antwortete Mila unschuldig. „Er war ein Fremdkörper."
    Sie beschloß, ihre Mädchen aus dem Hort zu nehmen, in dem sie die Fremdkörper waren.
    Dabei wußte sie, daß es damit nicht getan war.
    Der magische Einfluß der Zwotterfrauen würde damit nicht gebannt sein.
     
    *
     
    „Das soll ich gesagt haben?" fragte Nadja ungläubig.
    Sie saßen an diesem Juliabend des Jahres 1184 wie meist nach dem Abendessen noch zwanglos am Eßtisch zusammen und unterhielten sich über alles mögliche. Aber Nadja spürte, daß es kein Abend wie jeder andere war. Nicht nur, daß sich ihre Mutter zum Ausgehen fein herausgeputzt hatte, was in letzter Zeit immer öfter vorgekommen war - es lag noch etwas in der Luft. Irgend etwas Entscheidendes würde passieren, das spürte Nadja. Und ein kurzer Blickwechsel mit ihrer Schwester verriet ihr, daß diese ebenso dachte. Sie lagen wieder mal auf einer Wellenlänge. „In der Tat", bestätigte Saira lächelnd. „Du hast wortwörtlich gesagt: Da wir außerstande sind, in eine Schule zu gehen, muß die Schule zu uns kommen! Und ich habe euch diesen Wunsch erfüllt. Nur aus diesem Grund habt ihr per Fernschulung und Terminal eure Grundbildung erhalten."
    „Wir haben dir wohl viel Kummer bereitet in all den Jahren, was, Ma?" meinte Mila zerknirscht. „Was ich tun mußte, habe ich gerne für euch getan. Jetzt wird aber alles anders werden. Ich weiß, daß aller Kummer für euch ein Ende haben wird."
    „Wir haben doch keinen Kummer", sagten Mila und Nadja wie aus einem Mund und sahen sie dabei aus ihren großen grauen Augen unschuldig an.
    Nadja betrachtete ihre Mutter eingehend und kam zu dem Schluß, daß sie ihnen das nur zu gerne glauben würde, dies den gegebenen Umständen nach aber nicht recht konnte. Nadja wußte auch, warum. Ihre Mutter dachte, daß sie unglücklich sein müßten, weil sie keine Freunde und Freundinnen hatten. Dabei waren sie sich selbst genug.
    Fast zumindest, schränkte Nadja in Gedanken ein. Sie dachte aber sofort wieder an etwas anderes, weil sie nicht ganz sicher war, ob ihre Schwester nicht doch ihre Gedanken lesen konnte. Mila versicherte zwar plausibel, daß die Tatsache, daß sie meist konform gingen und einer Meinung waren, nichts mit Telepathie zu tun hatte, sondern auf einer ganz natürlichen Übereinstimmung zwischen ihnen beruhte. Aber, wie gesagt, ganz sicher war sich Nadja nicht. Sie wollte jedenfalls nicht, daß ihre Schwester etwas von ihrem Vertrauensbruch - von ihrem Verrat, wie Mila es nennen würde - erfuhr. „Wenn jemand Kummer hat, dann du mit uns, Ma", sagte Mila treuherzig. „Ach, Unsinn", meinte Saira und fuhr ihnen versöhnlich durch das braune Haar, wie sie es mit ihnen seit frühester Kindheit getan hatte. Als werde ihr urplötzlich bewußt, daß sie mit bald dreizehn Jahren bereits angehende Frauen waren und solche Gesten darum unpassend, zog sie ihre Hände zurück. Sie wischte mit ihnen nervös über den Tisch. Sie druckste noch eine Weile so herum, bevor sie sich straffte und den Blick auf ihre Töchter richtete. „Jedenfalls soll sich unser Leben demnächst von Grund auf ändern. Was haltet ihr von einem Tapetenwechsel?"
    „Ziehen wir um?"
    „Wurde auch schon Zeit."
    „Wir waren lange genug in dieser düsteren Scheune."
    „Übersiedeln wir gar in die Stadt?"
    „Nach Sol-Town, das wäre prima!"
    Mila stieß ihre Schwester an und stellte selbst auch das Plappern ein, um ihrer Mutter Gelegenheit zu geben, die Katze aus dem Sack zu lassen. „Ich habe dabei eigentlich mehr an einen anderen Planeten gedacht", sagte Saira beklommen. „Wow!" rief Mila beeindruckt aus. „An welchen?"
    „An... an eine Welt jenseits der Provcon-Faust..."
    „Ist ja irre! Endlich raus aus dieser

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