1648 - Geister der Vergangenheit
»Es wäre dann am besten, wenn wir gemeinsam zu ihm fahren, damit ihr ihn mal kennenlernt.«
Suko und ich schauten uns an. Mit gefiel der Vorschlag, und auch Suko nickte.
Der Kommissar schien erleichtert zu sein. »Gut, dann sollten wir uns in Bewegung setzen. Vielleicht haben wir ja Glück und treffen ihn zu Hause an.«
»Bitte nicht anrufen«, sagte Suko. »Überraschende Besuche bringen in der Regel mehr.«
»Einverstanden.« Voltaire stemmte seine Hände in die Seiten und schüttelte den Kopf.
»Ich habe ja mit ihm gesprochen, und jetzt frage ich mich, ob so ein zehnfacher Mörder aussieht.«
»Schaust du einer Person auch hinter die Stirn?«
»Nein, John, und das ist genau das Problem.«
»Du sagst es.«
Wir verließen diese ungastliche Stätte, und ich ging davon aus, dass auch die Geister sie verlassen hatten. Ihre menschlichen Körper waren zerstört, aber das würde sie nicht von einer grausamen Rache abhalten…
***
»Du musst nicht zum Dienst, Marc?«
Duras lächelte seiner Frau zu. »Doch, aber ich habe angerufen und komme später. Als Chef kann ich mir das mal erlauben. Ich fühle mich noch nicht fit.«
Martine Duras hob ihre Kaffeeschale an. Über sie hinweg schaute sie in das Gesicht ihres Mannes, ohne etwas zusagen. Sie kannte ihn lange genug, um zu wissen, wann sie ihn ansprechen konnte und wann nicht.
Das war jetzt nicht der richtige Augenblick. Er war in Gedanken versunken, und so hatte sie ihn auch in den letzten drei Tagen erlebt. Es waren nicht nur die Morgenstunden des Tages gewesen, auch die Nächte hatten eine Rolle gespielt. Sie waren für ihren Mann nie ruhig gewesen. Immer war er wieder aus dem Schlaf aufgeschreckt oder hatte im Schlaf geflüstert und gestöhnt.
Martine hatte ihm einfach die besorgten Fragen stellen müssen und nur nichtssagende Antworten erhalten.
»Ich habe eine schlechte Phase, das ist alles. Sie geht vorbei. Und ich werde auch nicht jünger.«
»Ja, das ist richtig. Sei froh, dass du nicht mehr bei der Legion bist. Uns geht es gut. Wir haben zwar keine Reichtümer sammeln können, aber wir haben unser Auskommen.«
Marc Duras war froh, diese Frau zu haben. Und er war auch froh, dass sie in diesen Momenten nicht den grausamen Tod ihrer gemeinsamen Tochter ansprach. Es reichte schon, wenn er sich immer wieder daran erinnerte und ihm die eigenen Gedanken zu einer Qual wurden. Das würde nie vergehen. Er war auch nicht vergangen, obwohl er sich furchtbar gerächt hatte.
Jetzt aber war man ihm auf die Spur gekommen. Und es waren keine Menschen gewesen, auch nicht die Polizei, dafür Wesen, die es eigentlich nicht geben konnte.
Sie hatten mit ihm in den Nächten ein grausames Spiel getrieben. Sie hatten genau gewusst, was sie, taten, und hatten den Druck immer mehr erhöht. Und sie hatten ihm den Tod versprochen, dem er nicht würde entgehen können.
Arbeitsmäßig war es in dieser Woche ruhig. Zwei Projekte mussten bewacht werden, das war es. Man konnte da von einer reinen Routineangelegenheit sprechen, über die man sich keine großen Gedanken zu machen brauchte.
Martine wusste noch immer nicht, auf welche Weise er Chiara gerächt hatte. Er war sich auch nicht sicher, ob er ihr die Wahrheit sagen sollte. Und mit seinem neuen Problem konnte er sie erst recht nicht konfrontieren. Sie hätte nur den Kopf geschüttelt und ihn ausgelacht. Ihm blieb nur das Abwarten. Alles andere musste sich ergeben.
Marc Duras hatte die Gestalten in der Nacht gesehen. Sie waren keine Einbildung gewesen. Geisterhafte, Geschöpfe, denen es nicht vergönnt war, endgültig abzutreten.
Das war für ihn, den knallharten Realisten, schon ein Problem.
Noch schwappte etwas Kaffee in seiner Tasse. Er schlürfte ihn mit einem Schluck weg und nickte Martine zu.
»Du musst weg?«
»Ja, es wird Zeit. Ich muss mich bei den Projekten mal ein wenig umschauen.«
»Ja, tu das.«
»Und sollte etwas sein, ruf mich bitte an.«
Martine saß noch auf dem Stuhl. Von unten her schaute sie in sein Gesicht. »Habe ich richtig gehört? Ich soll dich anrufen? Was sollte denn sein?«
»War nur so dahingesagt.«
Martine schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht glauben. Du hast doch etwas.«
Duras blieb an der Tischkante stehen.
»Bitte, was soll ich denn haben?«
»Das musst du mir sagen. Ich weiß es nicht. Irgendetwas beschäftigt dich. Da muss ich nur an die letzten Nächte denken. Die verliefen bei dir nicht so wie sonst.«
»Das stimmt.« Er lächelte jetzt. »Jeder hat mal einen
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