1648 - Geister der Vergangenheit
andauern.
Und Martine hatte sie sogar gehört. Geister oder Gespenster, die Stimmen hatten. Das begriff sie nicht, so etwas war völlig neu und unbegreiflich.
Was wollten die Geister von ihr, warum waren sie hier? Wer waren sie überhaupt?
Martine stellte sich diese Fragen und wunderte sich zugleich über sich selbst. Das war eigentlich verrückt, sie hätte sich selbst gegen die Stirn schlagen müssen, stattdessen schien sie sich daran zu gewöhnen, und plötzlich schoss ein völlig verrückter Gedanke in ihr hoch, der sogar für einen leichten Schweißausbruch sorgte.
Ohne dass es ihr richtig bewusst geworden war, hatte sie die beiden Besucher akzeptiert und so für eine gewisse Normalität gesorgt, die darin mündete, dass sie ihre beiden Besucher ansprach, was eigentlich voll daneben war.
Sie tat es trotzdem.
»Wer seid ihr…?«
Martine erhielt keine Antwort. Es gab auch sonst keine Veränderung bei den Besuchern.
Sie versuchte es noch mal. »Wer seid ihr? Wo kommt ihr her? Seid ihr Geister?«
Und plötzlich hörte sie die Antwort. Sie wehte ihr entgegen. Ob einer oder beide antworteten, wusste sie nicht, aber sie war mit einer Stimme gegeben worden, die sie kaum als eine solche erkannte. Es hörte sich künstlich an, wie durch Technik geschaffen, aber die wenigen Worte hatten sich bei ihr eingeprägt.
»Wir sind Geister, hörst du? Und wir werden uns rächen. Geister sind wir…«
Es war leise gesprochen worden, aber sie hatte jedes Wort verstanden.
Etwas schien gegen ihre Kehle zu drücken, und sie spürte einen leichten Schwindel in sich aufsteigen.
Geister und Rache!
Martine drückte sich zur Seite, streckte den linken Arm aus und stemmte sich für einen Moment an der Wand ab. Das Wort rächen konnte ihr nicht gefallen, denn sie wusste, dass es nur wenige Personen gab, an denen sie sich rächen konnten.
Zum einen war das ihr Mann, zum anderen sie selbst.
»Warum wollt ihr euch rächen? Ich kann es mir nicht vorstellen, ich habe euch nichts getan und…«
»Du gehörst zu ihm!«
Martine schnappte nach Luft, denn sie wusste genau, was die andere Seite mit der letzten Antwort gemeint hatte.
Es ging um ihren Mann. Nur um ihn. Er hatte etwas getan, was diese Geister zu ihnen ins Haus gelockt hatte. Martine wusste nicht, was es gewesen war, es musste nur schwer wiegen. Für einige Augenblicke dachte sie wieder an Marc und an dessen Veränderungen. Ja, das musste etwas mit diesen Geistern zu tun haben.
»Ihr meint Marc?«
»Wen sonst?«, sirrte es ihr entgegen. »Oder hast du noch einen anderen Mann?«
»Nein, nein, das nicht. Aber - aber - was hat - er euch denn getan? Das ist doch verrückt. Ihr könnt nicht einfach so auf ihn - ich meine ihn einfach ermorden.«
»Doch, das können wir.«
»Warum denn?«
»Weil er uns ermordet hat. Er kam zu uns. Er war bewaffnet und hat uns umgebracht…«
Martine Duras begriff die Welt nicht mehr. Sie glaubte, sich verhört zu haben. Das war alles grauenhaft und eine Wahrheit, die sie nicht nachvollziehen wollte.
Sie musste zweimal ansetzen, um eine Frage zu stellen. »Was - was - hat er getan?«
»Gemordet. Er hat uns erschossen, aber er konnte nicht wissen, wer wir wirklich sind. Dass wir schon auf dem Weg in eine andere Ebene waren. Dass wir uns Samael zuwandten, der Schlange, die von Luzifer ins Leben gerufen wurde. Er half uns. Wir sind tot, unsere Leiber von Kugeln zerfetzt, nicht aber unsere feinstofflichen Körper. Die existieren, und auch unsere Sprache hat man uns nicht genommen. Wir sind hier und zugleich weit weg, und wir werden uns nichts gefallen lassen…«
Martine hatte zugehört und nicht alles verstanden. Sie konnte es zudem nicht glauben.
Es war einfach zu verrückt, zu daneben. Das konnte doch nicht sein.
Auf der anderen Seite dachte sie wieder an ihren Mann und an dessen Veränderung. Er hatte mit ihr über Träume gesprochen, die ihn gequält hatten, aber er hatte ihr nie gesagt, dass er andere Menschen erschossen hatte.
Das hatte ihn so bedrückt. Das war so schlimm für ihn gewesen. Und jetzt tauchten plötzlich Wesen auf, die…
Martine konnte nicht mehr denken. Es war einfach zu grauenhaft. Sie schaffte es kaum, sich auf den Beinen zu halten. Ihr Körper fing an zu schwanken, und jetzt war sie froh, dass sie an der Wand einen Halt fand.
»Warum sagst du nichts?«
Martine Duras schüttelte den Kopf. Sie musste sich zunächst gedanklich von der Tat ihres Mannes befreien, was ihr nicht ohne eine Frage zu stellen
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