1648 - Geister der Vergangenheit
wachsenden Bäumen abgeworfen war. Der Dunst war hier weniger geworden. Wenn ihm ein Fahrzeug entgegenkam, blendeten die Lichter.
Kleine Seitenstraßen führten in Wohngebiete. Hier zu leben war nicht billig, aber seine Abfindung von der Armee war groß genug, um sich ein kleines Haus mit Garten leisten zu können. Außerdem ging er noch einem Beruf nach, in dem er nicht schlecht bezahlt wurde. Als Sicherheitsberater hatte er sich einen Namen gemacht und konnte sich die Aufträge sogar aussuchen.
Sehr bald bog er in die schmale Straße ein, in der sein Wohnhaus stand.
Laternen gaben ihr Licht ab. Die Kugeln schwebten wie blasse Vollmonde über der Straße.
Er passierte die vierte Laterne auf der rechten Seite. Zwanzig Meter weiter begann das Grundstück, in dem sein Haus stand, das er mit seiner Frau Martine bewohnte.
Zum Haus gehörte eine Garage. Vor dem Tor stellte er seinen BMW der Fünferreihe ab und stieg noch nicht aus. Er musste einfach sitzen bleiben und sich regenerieren.
Im Keller hatte er eine gewisse Befriedigung empfunden. Das Gefühl war jetzt vorbei.
Er wusste nicht, wie viele Menschen unter seinen Kugeln gestorben waren, aber der Raum hatte ausgesehen wie ein Schlachtfeld. Bilder wie diese kannte er aus seinen Söldnerzeiten, nur war er bei seinen Einsätzen nicht so unmittelbar und persönlich betroffen gewesen. Was heute passiert war, konnte er mit Fug und Recht als eine blutige Premiere bezeichnen.
Er presste die Hände gegen das Gesicht, saß minutenlang starr und suchte Ruhe für sein Inneres. Die Bilder würden ihn verfolgen, das kannte er aus der Vergangenheit.
Sie würden auch schnell wieder verschwinden, das hatte er oft genug erlebt bei seinen Einsätzen in Afrikas verschiedenen Ländern.
Duras stieg aus. Die kalte Luft tat ihm gut. Im Moment hatte es aufgehört zu regnen.
Es war einfach nur feucht und auch wieder leicht dunstig. An der Vorderseite des Hauses konnte er über einen schmalen Weg gehen, der ihn zur Tür brachte. Er schaute auf die Uhr und stellte fest, dass die zweite Morgenstunde angebrochen war. Er dachte auch daran, dass die Polizei längst am Ort des Geschehens war und zunächst einmal vor einem großen Rätsel stand, das sich später Stück für Stück auflösen würde, wenn die Beamten herausgefunden hatten, wer die Toten waren.
Im Schein der Lampe, die neben der Tür brannte, betrat er die dunkle Matte mit dem Aufdruck einer gebuckelten Katze.
Ihm fiel auf, dass im Flur Licht brannte. Es war schwach hinter dem dicken Milchglas der Tür zu sehen.
Möglicherweise war Martine noch auf. Oder wieder aufgestanden, nachdem sie herausgefunden hatte, dass seine Bettseite leer war. Oft genug konnte sie dann nicht schlafen und zog sich zurück ins Wohnzimmer, um sich bei einem Buch und einem Glas Wein die Zeit zu vertreiben, bis die Müdigkeit gewonnen hatte.
Leise schloss er auf. Ebenso leise betrat er das Haus, und doch war er gehört worden.
Dort, wo der schmale Flur endete und in den Bereich des Wohnraums überging, hörte er die Stimme seiner Frau, die eher erleichtert als vorwurfsvoll klang. »Du kommst spät, Marc.«
Rasch ging er in den Wohnraum. Er schaffte es zu lächeln, als er sich über seine im Sessel sitzende Frau beugte und ihr einen Kuss auf die Stirn hauchte.
»Jetzt bin ich da!«
Sie schaute zu ihm hoch. Martine war eine tolle Frau. Auch wenn die Zahl vier vor ihrem Alter stand, hatte sie an Attraktivität nichts verloren. Sie hatte in jüngeren Jahren als Mannequin gearbeitet. Auch jetzt hatte sie noch das dichte naturrote Haar und die leicht grünlichen Augen. Martine stammte aus dem Norden, aus der Provinz Calvados. Wer sie nicht kannte, hätte sie auch für eine Irin halten können.
»Du riechst nach Blut«, flüsterte sie.
»Bitte?«
»Ja, ich kenne den Geruch, Marc. Du riechst, als wärst du mit Blut in Berührung gekommen.«
»Bin ich aber nicht.« Die Lüge kam ihm glatt über die Lippen. »Ich war draußen und habe einige Männer eingewiesen, die ein Industrieobjekt bewachen sollen.«
»Aha.«
Er zeigte seine Hände, um Martine restlos zu überzeugen. »Bitte, siehst du dort Blut?«
»Nein.«
Er hauchte ihr wieder einen Kuss auf die Stirn. »Also, es gibt keine Probleme.«
Martine griff nach ihrem Glas. Es war noch zu einem Drittel mit Rotwein gefüllt.
»Bitte, trink es leer. Ich mag nicht mehr.«
»Ich auch nicht.« Er deutete auf die dunkle Flüssigkeit. »Rotwein ist nichts gegen Durst. Da hole ich mir lieber eine
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