1649 - Niemals sterben
zu erkennen. Und wir sahen den breiten Eingang, über dem sich die beiden Metallarme nach vorn reckten. An den Enden waren die Lampen befestigt, die mich an Laternen aus viktorianischer Zeit erinnerten.
Um uns herum war es still. Der Regen fiel zwar noch wie ein leicht vom Wind bewegter Vorhang aus den Wolken, aber es war kein Aufschlagen der Tropfen zuhören.
Ich hatte der Vampirin die Führung überlassen. Sie bewegte sich weiterhin sehr geschmeidig und nutzte dabei die Deckung der dicken Baumstämme aus.
So kamen wir dem Haus stetig näher, dessen Eingang ich nicht aus den Augen ließ. Die Tür war geschlossen und ich fragte mich, wie wir das Haus betreten sollten, ohne zuvor gesehen zu werden.
Hinter dem Stamm des letzten Baumes hielten wir an. Justine Cavallo befand sich in meiner direkten Nähe. Ich sah, dass sie den Kopf nach vorn geschoben hatte. Ihr glattes Gesicht zeigte eine gewisse Anspannung.
Bevor ich eine Frage stellen konnte, hörte ich ihr Flüstern.
»Sie sind noch da. Ich spüre sie.«
»Gut. Und wie kommen wir hinein?«
»Dafür sorge ich.«
Damit war ich nicht zufrieden. »Willst du die Tür eintreten?«
Sie lachte. »Nein, das werde ich nicht. Ich weiß nur, dass man mir öffnen wird. Dabei gebe ich dir jetzt schon den Rat, dich zurückzuhalten. Lass mir den Vortritt.«
Hätte ich das von Suko oder Bill Conolly gehört, das wäre okay gewesen.
Bei der Cavallo hatte ich meine Probleme, denn ich kam mir vor wie in die zweite Reihe geschoben.
»Wir werden sehen, was sich ergibt, Justine. Spiel hier auf keinen Fall den Boss.«
Sie schüttelte unwillig den Kopf. »Ich weiß es aber besser. Deshalb halte dich vorerst zurück.«
»Okay.«
Von nun an gab es keinen Baum mehr, der uns Deckung hätte geben können. Wir mussten eine freie Fläche überqueren, die ungefähr zwanzig bis dreißig Meter betrug.
Wieder machte die Cavallo den Anfang. Ich blieb hinter ihr, achtete allerdings nicht auf sie. Die Fenster waren wichtiger für mich. Ich ließ die dunklen Vierecke nicht aus den Augen und lauerte darauf, hinter ihnen ein schwaches Licht zu sehen.
Die Stille blieb. Sie umgab uns wie eine dicke Wand, und ich wünschte, dass es so blieb. Deshalb stellte ich mein Handy aus. Ein Klingeln zur falschen Zeit konnte fatale Folgen haben.
Die Vampirin im schwarzen Lederoutfit musste noch drei Schritte hinter sich bringen, dann hatte sie die breite Eingangstür erreicht. Bevor sie den letzten Schritt ging, blieb sie für einen Moment stehen und drehte sich zu mir um.
Mit dem Daumen gab sie mir ein Zeichen. Ich sollte mich neben dem Eingang an die Mauer drücken.
Noch machte ich das Spiel mit und baute mich neben der Tür auf, was der Cavallo gefiel, denn sie nickte mir zu.
Die Tür hatte einen geschwungenen und ziemlich schweren Griff. Es gab auch eine Klingel. Der Knopf ragte aus dem Mauerwerk.
Den drückte die Cavallo nicht. Sie verschaffte sich auf eine andere Weise Aufmerksamkeit. Mit der Faust schlug sie gegen die Tür, und es war zu hören, dass die Echos im Haus widerhallten.
Ob das die richtige Methode war, um eingelassen zu werden, bezweifelte ich. Doch es war ihr Spiel, und so wartete ich gespannt auf das Ergebnis.
Es rührte sich nichts, und deshalb schlug sie noch mal zu. Danach meldete sie sich sogar mit lauter Stimme.
»He, ich bin eine von euch! Öffnet! Ich will mit Gilda reden! Verstanden?«
War sie naiv oder durchtrieben? Ich fand keine Antwort. Doch als naiv schätzte ich sie nicht ein. Die Cavallo wusste immer, was sie tat, und das war sicherlich auch jetzt nicht anders.
Es verging Zeit.
Kein Blick wurde mir gegönnt. Die Blutsaugerin gab sich recht gelassen.
Und sie hatte genau das Richtige getan. Auf der anderen Seite der Tür waren Geräusche zu hören.
»Es geht!«, zischte mir Justine zu. Danach hielt sie den Mund, was auch besser war, denn von innen her wurde die Tür aufgezogen.
Ich hielt mich an ihren Rat und presste mich mit dem Rücken flach an die Wand. Zugleich erwärmte sich mein Kreuz, und so wusste ich endgültig, dass wir den richtigen Ort erreicht hatten.
Aus meiner Perspektive sah ich nicht, was Justine zu sehen bekam. Ich beobachtete nur ihre Reaktion und stellte fest, dass sie die Lippen zurückgezogen hatte, um ihre Blutzähne zu zeigen. So bewies sie, dass sie wirklich zu ihnen gehörte.
Ich hörte eine weibliche Stimme, die fragte: »Wer bist du denn?«
Gilda war es nicht, die gefragt hatte. Sie kannte Justine und hätte es nicht
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