1649 - Projekt Coma
schenkte er keine Aufmerksamkeit.
Er vergewisserte sich, daß das unsichtbare Mikrophon seine Stimme aufnahm, und begann zu reden: „Hier spricht der Kommandant. Ich wende mich an die gesamte Besatzung. Sollte ich jemanden aus dem Schlaf gerissen haben, so entschuldige ich mich; es tut mir leid, aber wir haben das Ziel der Reise erreicht. Von diesem Tag an wird die BASIS etwa sieben Monate lang in ein mobiles Raumdock eingehüllt. Es werden ausgedehnte Umbauten vorgenommen; das betrifft jede einzelne Abteilung, auch die Bewaffnung, speziell aber die Triebwerke und die wissenschaftlichen Sektionen. Die Besatzung geht in dieser Zeit von Bord. Sämtliche Ausnahmen sind bereits abgesprochen."
Er legte eine kurze Pause ein, straffte sich und schaute in die Runde. Die Blicke der anderen hingen an seinen .Lippen. So, als habe er wirklich Neuigkeiten zu berichten ... Als wüßten sie nicht alle längst Bescheid. An Bord eines Raumschiffes verbreiteten sich Gerüchte schnell.
Auch wenn dieses Schiff so groß wie eine Stadt war. „Der BASIS steht eine lange Reise bevor. Ehe wir unser Ziel im Sternbild Coma Berenices erreichen, werden minimal dreieinhalb Jahre vergehen. Das ist eine lange Zeit. Jeder von euch möge sich überlegen, ob er auf dieser großen Fahrt dabeisein will. Ich persönlich werde es niemandem verübeln, wenn die Entscheidung gegen die Expedition ausfällt. Niemand weiß, wie lange die Forschungsarbeiten an der Großen Leere dauern werden. Allgemein gehen wir von drei Jahren aus. Es kann jedoch mehr werden, das möge jeder bedenken! Rechnet dreieinhalb Jahre für die Rückreise hinzu, und ihr kommt auf zehn Jahre. Laßt euch alle Zeit.
Trefft eure Entscheidung nicht sofort. Allein das Auswahlverfahren wird Monate in Anspruch nehmen."
Nyman fuhr sich mit einer Hand über die Augen, um seine Konzentrationsschwäche zu bekämpfen, und ließ sich in einen Sessel fallen. Es war ein langer Tag gewesen. Das Schwierigste jedoch war, solch eine Nachricht nach zwei Stunden Schlaf zu erhalten. Natürlich hätte er das Schiff auch von seinen Stellvertretern nach Olymp fliegen lassen können. Lugia Scinagra war eine äußerst tüchtige Frau, die in den letzten Jahren enorm an Erfahrung gewonnen hatte.
Doch es gab Dinge, die man als Kommandant besser persönlich tat. Seine vielleicht letzte Fahrt verbrachte man nicht im Schlaf, sondern in der Kommandozentrale. „Ein paar Worte noch zum Verfahren selbst: Wer von euch daran interessiert ist, sich für Projekt Coma zur Verfügung zu stellen, melde das bitte bei irgendeiner offiziellen Stelle der LFT. Wo immer in der Milchstraße ihr euch auch aufhaltet - man wird euch unverzüglich eine Transmitterpassage nach Olymp schalten, oder ihr erhaltet die schnellste Schiffspassage, die verfügbar ist. Und dann erwartet euch das härteste Verfahren, das es bisher gegeben hat. Die Inspekteure werden mehr sieben als je zuvor. Nur die Besten nehmen teil. Aber, und davon bin ich überzeugt, wer sich heute an Bord dieses Schiffes befindet, gehört ohnehin zu den besten Raumfahrern der Milchstraße. Das wäre alles. Vielen Dank."
Harold Nyman ließ den Bordsyntron das Mikro ausschalten und wandte sich Lugia Scinagra zu. „Na", fragte er, „wie war ich?"
Die stämmige Frau mit dem langen, blonden Haar gab sein Lächeln nicht zurück. Sie galt als humorlos, deshalb machte sich Harold nichts daraus. Er kannte und schätzte sie so, wie sie nun einmal war. „Du warst gut", antwortete sie. „Ich denke, nach dieser Ansprache werden wir viele unserer Leute wiedersehen."
„Hoffen wir es. Und du selbst? Hast du die Absicht, teilzunehmen?"
„Natürlich." Ihr Gesicht wirkte völlig ausdruckslos. „Auf mich wartet niemand. Wohin sollte ich sonst gehen? - Und was ist mit dir selbst, Harold?"
„Darüber denke ich noch nach."
„Ich verstehe dich nicht. Was gibt es zu überlegen? Schrecken dich die zehn Jahre?"
„Nein. Aber mein eigenes Alter bereitet mir Sorge."
„Das kann doch nicht dein Ernst sein!"
„Vielleicht nicht. Aber es ist meine Pflicht, zumindest darüber nachzudenken. Bin ich so leistungsfähig, wie ein Kommandant sein sollte?"
„Dieses Urteil würde ich den Inspekteuren überlassen", sagte sie nüchtern.
Ein breites Grinsen zog sich über sein Mondgesicht; daraus sprachen Selbstvertrauen und grenzenlose Zuversicht. „Die Inspekteure sind in der Tat das Problem. Aber wenn es fair zugeht, Lugia, werde ich dabeisein. Dann feiere ich meinen hundertsten Geburtstag
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