165 - Am heiligen Berg
lag selbst das alte Steppenpferd tot am Boden. Wütend hielt sie an, beförderte den Jungen aus dem Sattel und sprang hinterher.
»Achte darauf, dass das Yakk zwischen dir und den Männern bleibt!«, befahl sie Yinjo und drückte ihm die Zügel in die Hand. Dann griff sie nach dem Schwert.
Zwei Dinge sollte man niemals in den Kampf mitnehmen: Zorn und Arroganz. Die Kriegerin vom Volk der Dreizehn Inseln hatte ihren Teil unter Kontrolle. Die Fremden nicht.
Der Anblick einer bewaffneten Frau erheiterte sie ungemein – ihre eigenen Frauen nahmen höchstens mal ein Schwert zur Hand, um das Mittagessen zu köpfen. Und die Verteidigung hier in Ti'bai war schon bei den Männern erbärmlich. Was also fiel dem Weib da ein?
Meckerndes Lachen wehte Aruula entgegen, und Zurufe in einer Sprache, die sie nicht verstand. Die Vier trieben ihre Pferde in eine Reihe neben den Hengst des Anführers, zogen die Gesichtstücher herunter und schnitten Grimassen.
Schwarze Haarknoten wackelten an ihren Hinterköpfen.
Im fernen China, das heute Cinna hieß, hätte man die Männer sofort als Tschinnaks erkannt – Angehörige der Leibwache des Himmlischen Hüters. Sie hatten schlanke, etwas gebogene Schwerter. Einer von ihnen wirbelte seines unablässig herum. Es sah so leicht aus. Und so beeindruckend.
Aruula suchte derweil nach festem Boden ohne Hindernisse. Sie achtete darauf, dass sie die sinkende Sonne im Rücken hatte und nicht geblendet wurde. Dann blieb sie stehen, den Bihänder entspannt in der Linken, und sah sich die Männer genau an. Sie debattierten miteinander.
Offenbar verhandelten sie darüber, wer die Fremde erledigen durfte. Aruula tippte darauf, dass es der mit dem wirbelnden Schwert sein würde.
So war es auch. Der Tschinnak hörte auf zu spielen. Er fasste mit einer Hand die Zügel kurz und lenkte sein Pferd von der Gruppe weg. Dreckklumpen spritzten hoch, als es angaloppierte. Das Tier kam leicht nach rechts versetzt auf Aruula zu, sodass der Tschinnak, der sein Schwert wie einen Poloschläger schwang, sie genau erwischen würde. Er ließ erkennen, dass er die Barbarin zu köpfen gedachte. Aruula rührte sich nicht. Sie blickte nur einmal schnell und scheinbar unschlüssig nach Links, wohin jeder Unerfahrene flüchten würde, weil er sich so für den Moment vor der Klinge retten konnte. Prompt verlagerte der Tschinnak sein Gewicht in diese Richtung. Das Pferd folgte ihm – und Aruula hechtete in letzter Sekunde nach rechts. Dabei hielt sie ihr Schwert seitlich ausgestreckt und zog es hinter sich her. Quer über die Pferdebeine.
Das Tier bockte erschrocken, sein Reiter stürzte und überschlug sich mehrmals. Aruula holte ihn ein. Er kam nicht mehr hoch.
Die Barbarin zerrte ihren Bihänder aus der fremden Brust und sah sich um.
Der nächste Tschinnak erwies sich als lernfähig: Er ließ sein Pferd zurück, verzichtete auf Showeinlagen und griff unverzüglich an.
Ein harter Kampf entbrannte. Aruula musste ihr ganzes Können aufbieten, denn hier trafen zwei ungleiche Schwerter und Techniken aufeinander. Hin und her ging die klirrende Hatz; mal verlor die Barbarin an Boden, mal der Tschinnak. Er war klug und versuchte – selbst um den Preis des schmählichen Zurückweichens – seine Gegnerin in eine ungünstige Position zu bringen. Es gelang.
Aruula fand sich plötzlich gefährlich nahe bei der niedergestreckten Bajaatenfamilie wieder, die Sonne im Gesicht und gezwungen, auf Stolperfallen zu achten. Sie konnte nicht verhindern, dass die beiden anderen Tschinnaks auf Yinjo zu ritten. Erst recht hatte sie keine Zeit, um sich darüber Sorgen zu machen. Aruula tat es trotzdem – mit dem Ergebnis, dass sie in einer Blutlache ausglitt.
Sofort war ihr Gegner heran. Er grinste schmierig, als er in Hüfthöhe über sie stieg und seine Waffe hob.
Aruula lag auf dem Rücken, die Hand am Griff des Bihänders, und wartete. Der Tschinnak reckte sich hoch, um seiner Klinge die größtmögliche Stoßkraft zu geben. In dem Moment griff die Barbarin nach seinem Fuß und warf sich nach links. Ihr Gegner wankte noch, da kam mit Aruulas Schulter der Bihänder vom Boden. Schwung und Eigengewicht der schweren Waffe reichten aus: Der Mann geriet durch den Schlag ins Stolpern, Aruula kämpfte sich auf die Knie – und als der Tschinnak endgültig fiel, erwartete ihn eine aufgestellte Klinge.
Die Barbarin brauchte einen Moment, um ihren Herzschlag und den fliegenden Atem unter Kontrolle zu bringen. Sie fuhr sich mit dem
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